BESONDERE QUALIFIKATION:

  • Himmelsfensterpunkt:

Tian Fu ist eines der fünf großen Himmelsfenster. Diese regulieren die Durchblutung im Kopf, dem Himmel im Mikrokosmos. Sie leiten Hitze im oberen Bereich ab und lassen Yin-Energie nach oben steigen. Die Himmelsfenster versorgen insbesondere das Gehirn mit Qi und Blut und spielen so bei allen neurologischen Erkrankungen eine wichtige Rolle. Ihre tonisierende Nadelung (Bu Fa) fördert die arterielle Durchblutung des Gehirns, sie werden eingesetzt bei Gehirnerweichungen, Atrophien der Hirnrinde, Alzheimer Krankheit, M. Parkin-son, Geistesschwäche, Somnolenz u.v.m. Die Sedierung (Xie Fa) der Himmelsfenster wird angewendet bei der Behandlung von überreizten und manischenZuständen des Nervensystems wie Hysterie, Delirien, Halluzinationen, Phobien und Besessenheit. Beim akuten Schlaganfall kann die Nadelung der Himmelsfenster die Blut- oder Energiestauung im Gehirn entlasten und den inneren Wind vertreiben.

Spätestens seit der Ming-Dynastie (1360 - 1644) ist das Gehirn auch die Residenz von Shen, der Allumfassenden, schöpferischen Kraft im Mikro- und Makrokosmos. "Das Gehirn ist der Palast des Shen!" (LI SHI ZHEN, ein berühmter Drogenarzt der Mingzeit).

Da Shen uns mit der natürlichen Ordnung, dem Dao des Weltalls verbindet, läßt diese Beziehung einen weiteren Anwendungsbereich der Himmelsfenster vermuten, bei dem es um die Möglichkeit spiritueller Erfahrungen geht. Dort, wo der Patient die Verbindung zum Kosmos verloren hat, können wir durch das Öffnen eines Himmelsfensters (oder aller) seinen Horizont erweitern und die Sicht wieder auf die Wahrheit der kosmischen Gesetze richten. Die Wiedervereinigung mit Shen, der schöpferischen Kraft des Himmels, inspiriert Hun, den Shen im Mikrokosmos, zu neuen Wahrnehmungsmöglichkeiten und spirituellem Wachstum. Es ist nicht immer leicht zu entscheiden, ab der Patient für solche Erfahrungen bereit ist, oder ab die Wucht der Wahrnehmungen ihn eher bedrückt. Wenn der Patient die Diskrepanz zwischen seinem bisherigen Weltbild und der neuen Sicht traumatisch erlebt, kann dies schwere Depressionen und Selbstmordgedanken auslösen. Das Öffnen der Himmelsfenster braucht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Behandler und Patient und ein besonderes Bewußtsein des Therapeuten!

 

BEDEUTUNG DES NAMENS:

Tián: der Himmel, der oberste Herrscher des Universums, himmlisch, göttlich, kaiserlich, Natur, natürlich, Tag, Wetter, Witterung u.v.m. Das Schriftzeichen zeigt einen Menschen und das Eine darüber, also die gewaltige, unendliche Ausdehnung des Weltraums über dem Menschen. Der eine Himmel, der sich über die Menschen erhebt (vergl. WIEGER, L1, C). In der chinesischen Naturphilosophie hat Tian mehrere Bedeutungsinhalte:

a) als Yang-Aspekt des Makrokosmos umfaßt der Himmel die Gesamtheit der aktiven, dynamisieren-den Einflüsse des Kosmos und damit alle klimatischen Faktoren sowie die planetarischen und interstellaren Energien, die den Menschen beeinflussen. Tian ist die schöpferische Kraft, die auf die Erde (Di), wirkt und alles Leben hervorbringt. Tian Di, Himmel und Erde, ist die erste Manifestation von Dao, das, nunmehr namenhabend, die Mutter der 10.000 Wesen ist (LAO Zl, Kap. 1).

b) Tian ist ein Äquivalent von Ming, dem himmlischen Mandat. Ming umfaßt alle Ereignisse, die vorherbestimmt und außerhalb der menschlichen Kontrolle liegen, also das, was man als Schicksal, Karma, Fügung oder Lebenslos bezeichnet.

Das Lebenstor im Menschen liegt im Punkt Du Mai 4, Ming Men, welcher der Ursprung des Yuan Qi = aktiviertes vorhimmlisches Vermögen ist und wo der Shen verwurzelt ist.

c) Tian ist auch die Bezeichnung für einen obersten Herrscher im Universum. Dies war die grundlegende religiöse Idee in der Zhou-Dynastie (1122 - 481 v. Chr.), die dem Himmel die Macht eines Kaisers zuschrieb, der unsichtbar seinen Ein-fluß auf die Menschen verbreitete und die natürliche Ordnung herstellte. Der Kaiser von China war dementsprechend der Sohn des Himmels, der das Dao auf der Erde nachvollziehen mußte. Schließlich ist das Herz der Kaiser im Mikrokosmos Mensch, der mit seinem richtungsweisenden Einfluß (Shen Ming) die natürliche Ordnung auch in diesem Reich herstellen soll.

d) Tian in der chinesischen Medizin bezeichnet die obere Region des Menschen, insbesondere die Brust und der Kopf. "Der Himmel ist rund und die Erde ist eckig, der Kopf des Menschen ist rund und seine Füße sind eckig; also entsprechen sie sich." (LING SHU, Kap. 71); und das SU WEN: "Die Region oberhalb der Himmelsachse (Tian Shu = Ma25) wird vom himmlischen Qi beherrscht, die Region unterhalb der Himmelsachse vom irdischen Qi." (Kap. 68)

Fû: Ein Bezirk, eine Versammlungshalle, Amtsgebäude, Behörde, Palast, Schatzkammer, Speicher; ein Verwaltungsbezirk für höhere Beamte, wie sie in der Tang-Dynastie (618-907 n. Chr.) errichtet wurden. Das Schriftzeichen zeigt einen überdachten Ort, an dem Steuern bezahlt und Auszeichnungen und Diplome ausgehändigt werden. Ein Mensch nimmt und eine Hand gibt (WILDER, No. 388). Fu weist auch auf ein Regierungsdepot hin, in dem wichtige Dokumente und wertvolle Güter oder Schätze aufbewahrt werden. (vergl. ausführlicher Lu 1 Zhong Fu)

Tian Fu bedeutet als Binom:

1. im alten China einen Ort im Kaiserpalast, der die Schätze der kaiserlichen Vorfahren beherbergte; ein Ahnentempel.

Die Harmonie zwischen den Lebenden und Toten war insbesondere in der Shang-Dynastie

(1711 - 1066 v, Chr.) ein wichtiges Ziel, um Krankheiten und Unglück zu verhindern. Ihre Toten wurden mit Prunk und vielen Geschenken beerdigt, um deren Geist-Seele (Hun) friedlich zu stimmen, damit diese einen günstigen Einfluß auf die Hinterbliebenen ausübten. Karren, Pferde, Waffen, Juwelen, Essen und Trinken, ja gelegentlich sogar ganze Dienerschaften mußten zur Verfügung beim Verschiedenen bleiben, was bedeutet, daß sie lebendig begraben wurden. Der Ahnentempel im Kaiserpalast hatte die Funktion, das gesamte Wissen der Vorfahren aufzubewahren, damit der neue Kaiser sein Reich im Sinne der Ahnen führen konnte. Tian Fu ist so auch eine Bezeichnung für profundes Wissen, für Reichtum in Hülle und Fülle. Im Menschen speichert der himmlische Palast (Lu3) das kostbare Qi des Himmels (Atemluft) und hat darüber hinaus auch Einfluß auf das Gehirn, den Speicher von Wissen und Weisheit.).

Lu 3 hat einen mächtigen Einfluß auf alle geistigen und emotionalen Störungen, die durch eine Lungen-Disharmonie verursacht werden: z.B. Zerstreutheit, Vergeßlichkeit, Depressionen mit Weinanfällen, Platzangst, Menschenangst, Phobien u.v.m. Hier kann die Lunge die Nieren nicht richtig ernähren (Sheng-Zyklus), so daß die Gehirnfunktionen gestört werden.

Ein klassisches Symptom von Tian Fu (Lu 3) ist: lamentieren und reden wie besessen; ein weiterer Hinweis auf die Wirkung dieses Reiz-punktes bei psychischen Erkrankungen. Besessenheit war im alten China durch einen Dämonenangriff verursacht.

2. Tian Fu ist eine Bezeichnung für die Kunst des Feng Shui-Meisters. Seine Aufgabe ist es, geeignete Stellen für ein harmonisches Zusammenleben der Lebenden und Toten zu finden. Diese Orte sind mit besonders positiven Energien behaftet, haben ein gutes Feng Shui. Auch Lu 3 ist eine Höhle mit starkem Einfluß (Qi), über die Himmel und Erde im Menschen versöhnt werden können (Himmelsfensterfunktion).

3. Tian Fu ist ein Name für das Sternbild des großen Bären, ein Symbol für die kaiserliche Macht in der chinesischen Astrologie. Die Sterne des großen Bären repräsentieren den Wagen

des Kaisers, der sich um den Mittelpunkt des Universums (der Polarstern) dreht.

Auch hier wieder ein Hinweis auf das Herz als Kaiser in uns und auf Shen, seinen richtungsweisenden Einfluß auf die Persönlichkeit. Ebenso wie zwei Sterne des großen Bären auf der Himnmelskarte eine Linie mit dem Polarstern bilden, befindet sich auch Tian Fu (Lu 3) auf einer Linie mit dem Herzen auf der mikrokosmischen Landkarte.

4. Tian Fu ist ein anderer Name für die zweite Sternkonstellation Kang mutig, hochmütig, Hals, Kehle. Das Konzept der 28 Konstellationen oder Mondstationen (chin. Xiu) ist das Kernstück in der chinesischen Astrologie. Die 28 Xiu beschreiben 28 Himmelsabschnitte, in denen der Mond in seinem himmlischen Kreislauf (28 Tage) zu sehen ist.

Die Mondstationen geben Prognosen über günstige oder ungünstige Vorzeichen des Tages. Die 28 Xiu werden fn vier Palästen zu je sieben Konstellationen zusammengefaßt, entsprechend den vier Himmelsrichtungen, den vier Jahreszeiten und den fünf Wandlungsphasen, hier mit der Erde als Zentralpalast.

Kang befindet sich im Palast des grünen Drachens, der dem Frühling, dem Osten und der Wandlungsphase Holz entspricht. Kang ist der Hals des Drachens! Oder: hochmütiger Drache wird zu bereuen haben (nach dem Yijing). Ein Tag unter dieser Konstellation wird nichts Gutes bringen, denn Kang entspricht der Wandlungsphase Metall und herrscht über die Krankheiten. Die himmlischen Energien wirken zerstörerisch, an diesem Tag sollten keine neuen Projekte begonnen werden. Der Holz-Palast wird von einer Metall-Konstellation (Kang) dominiert. Drache und Tiger (Symbole für Holz und Metall) bekämpfen sich.

Dieser Kampf am großen Himmel hat eine interessante Parallele zu einer anderen Auseinandersetzung im kleinen Himmelsgewölbe Lunge.

"Wenn pathogene Hitzeenergie die inneren Regionen plötzlich befällt, dann bekämpfen sich die Energien von Leber- und Lungen-Leitbahn und Blut strömt zur Nase. Es kommt zu Blutungen aus Nase und Mund. Für die Behandlung ist der Punkt Tian Fu (Lu3) zu nadeln." (LING SHU, Kap. 21)

Innere Hitze blockiert den großen Energiekreislauf und verhindert den Übergang des Qi von der Leber- zur Lungen-Leitbahn. Lu 3, dispergierend genadelt, kann hier die Hitze im oberen Erwärmer klären. Wegen der Tendenz zur Hitze in diesem Bereich ist das Moxen von Lu 3 seit alther verboten (JIA YI JING)

5. Tian Fu ist eine volkstümliche Bezeichnung für die beiden Brüste, der Bereich im Oberkörper (Tian), wo die Milch gespeichert ist. Lu 3 befindet sich auf gleicher Höhe wie die Brustwarze und ist deshalb bei schlanken (männlichen) Patienten leicht zu finden. Wenn man die Warze mit Tinte betupft und der Patient die Arme über der Brust zusammenlegt, wird der Reizpunkt am Oberarm markiert. (DA CHENG)

 

FUNKTIONEN:

  • klärt Lungen-Hitze und kühlt das Blut (wenn Feuer im oberen Erwärmer lodert)
  • reguliert das Lungen Qi (als regulärer Punkt der Lungen-Leitbahn)
  • zerstreut inneren Wind (als Himmelsfenster-Punkt mit Wirkung auf das Gehirn)
  • löst und kanalisiert Schleim (Tan) im oberen Erwärmer (stärkt die Lunge als obere Quelle der Wasserzirkulation)

 

DER KLASSISCHE TIP: (nach dem Zhenjiu Dacheng)

Jammert und redet wie besessen (Gui Yan), die Freude vergessen (Xi Wang), vom Dämon besessen (Gui Zhu), fliegender Leichnam (Fei Shi), Windschlag-Übel (Zhong Feng Xie)