ANDERE ÜBERSETZUNGEN:

– junges Shang (Porkert)

– geringer Handel (Bachmann)

– kleiner Kaufmann (Worsley)

– spärliches Metall

 

ALTERNATIVE NAMEN:

Gui Xin = Dämonentreue (dem Dämon vertrauen)

 

BESONDERE QUALIFIKATIONEN:

· Jing (Brunnen) - Punkt:

Das Qi der Leitbahn ist an dieser Stelle am oberflächlichsten. Es fließt hier nur spärlich und verändert seine Polarität von Yin zu Yang oder Yang zu Yin, d.h. als Anfangs- oder Endpunkt jeder Leitbahn tritt hier ein Wechsel in der energetischen Qualität hinsichtlich Yin/Yang auf. Wie Wasser aus einem Brunnen wird das Qi am Brunnen-Punkt nach außen geschüttet und bildet ein Rinnsal (= dem Ying-Bach-Punkt). Die potentielle Aktivität des Holzes ist hier verankert, so daß die Reizung dieses Punktes dann sinnvoll ist, wenn das Qi nicht ausreichend an die Oberfläche kommt oder zu stark nach außen schlägt und übermäßige Dynamik entfaltet.

Yang Kang Hou, ein Kommentator des NAN JING aus dem 11. Jahrhundert, vergleicht den Jing-Punkt mit einer Quelle. "Alle Zang-Fu-Leitbahnen haben eine Quelle als Anfangspunkt. Jing bezieht sich hier auf eine Gebirgsquelle und nicht auf einen Ziehbrunnen. Die Stellen im Gebirge, an denen das Quellwasser zuerst an die Oberfläche kommt, heißen Quellen ( Jing)".

Das I GING beschreibt Jing = der Brunnen: "Unten ist das Holz (Sun) und oben das Wasser (Kan). Das Holz steigt in die Erde, um das Wasser heraufzuholen. Es ist das Bild eines altchmesischen Wippbrunnens. [...] Das Bild deutet auch auf die Pflanzenwelt, die in ihren Adern das Wasser aus der Erde emporhebt. Der Brunnen, aus dem man Wasser schöpft, enthält den Gedanken der unerschöpflichen Nahrungsspende."

Beide Bilder, der Ziehbrunnen und die Quelle, suggerieren die Güte des Holzes, allen Wesen nützlich zu sein und sie zu beleben.

Der Jing-Punkt ist immer der Anfangs- oder Endpunkt einer Leitbahn und auf den Yin-Leitbahnen durch Holz, auf den Yang-Leitbahnen durch Metall qualifiziert. Im kleinen Energiekreislauf der Shu-Punkte ist hier der Anfang, die Quelle für alle weiteren Aktivitäten des Qi!

Schließlich ist Jing-Punkt noch der Ausgangspunkt für die Muskel- und Sehnenbahnen (Jing Jin) der zwölf regulären Meridiane. In diesen Bahnen zirkuliert hauptsächlich Wei-Qi, die schützende und erwärmende Energie mit Yang-Charakter. Tonisierend (Bu) genadelt kann das Wei-Qi an den Brunnenpunkten konzentriert werden, um die zugehörige Haupt-Leitbahn zu stärken; sedierend (Xie) genadelt kann eine Überfülle der Hauptleit-bahn und Hitze an den Brunnen-punkten abgeleitet werden. Hier bedienen wir uns der blutigen Nadelung.

Klinische Bedeutung in den Klassikern:

LING SHU, Kap. l: "Der Akupunkturpunkt, an dem das Qi entspringt, heißt Jing (Brunnen) Punkt."

LING SHU, Kap. 2: "Im Winter sollte man die Brunnen (Jing) -und Strom (Shu) -Punkte oberflächlich nadeln und die Nadeln liegenlassen."

LING SHU, Kap. 44: "Die Krankheiten der fünf Zang-Organe entsprechen dem Winter, weil hier die Speicherung von Energie stattfindet. Deshalb sollte man bei Erkrankungen der Zang die Jing (Brunnen) -Punkte stechen."

NAN JING, Kap. 68: "Über die Brunnen-Punkte beherrscht man Fülle unter dem Herzen". (Fülle unter dem Herzen bedeutet Plethora im Abdomen; Holz überwältigt Erde im Ke-Zyklus und verursacht Stagnation des Qi-Flusses in der Mitte.)

NAN JING, Kap. 74: "Im Frühling sollte man die Jing (Brunnen) -Punkte nadeln, wenn die Erkrankung in der Leber sitzt."

 

· Holz-Punkt:

Lu 11 ist der Korrespondenzpunkt zur Wandlungsphase Holz und damit ein Ort potentieller Aktivität. Ferner ist die Holzschranke der Einwirkungsort auf pathogenen Wind, besonders beim inneren Wind der Zang-Organe. Diese werden im SU WEN, Kap, 42, diskutiert:

"Windangriff im Frühling an den Tagen Jia und Yi verursacht Leber-Wind; Windan-griff im Sommer an den Tagen Bing und Ding verursacht Herz-Wind; Windangriff im Spätsommer an den Tagen Wu und Ji verursacht Milz-Wind; Windangriff im Herbst an den Tagen Gong und Xin verursacht Lungen-Wind; Windangriff im Winter an den Tagen Ren und Gui verursacht Nierenwind."

Um den Wind aus den Zang-Organen auszuleiten, können wir entweder die Holz-Punkte der Yin-Leitbahnen sedierend nadeln (eventuell bluten lassen), oder die Metallpunkte der Yang-Leitbahnen tonisieren. Damit wird die Kontrolle des Metalls über das Holz wiederhergestellt.

 

· Gui (Dämonen) -Punkt:

Der alternative Name von Lu 11, Gui Xin = Dämonentreue, suggeriert die Wirkung dieses Punktes bei Geisteskrankheiten, Anfallsleiden und Besessenheit. Eine effektive Behandlung zu Beginn eines schizophrenen Schubes soll die starke Moxierung beider Shao Shang-Punkte sein. Dabei werden die beiden Daumen des Patienten fest zusammengebunden und fünf große Moxakegel über die Punkte gleichzeitig abgebrannt. Selbstverständlich sollte die Behandlung von psychiatrischen Erkrankungen in der Regel stationär erfolgen und unter fachärztlicher Kontrolle stehen.

 

Interessant ist an dieser Stelle, daß drei der 13 Dämonenpunkte nach Sun Si Miao auf dem Lungen-Leitbahn liegen: Lu 5 Gui Tang = Dämonenhalle, Lu 9 Gui Xin = Dämonenherz und Lu 11 Gui Xin = Dämonentreue

Es scheint, als ab eine gestörte Körperseele Po die Ursache für viele Geisteskrankheiten ist, besonders, wenn diese körperfixiert sind bzw. körperlich ausagiert werden. Die Lunge ist der Wohnsitz von Po; wenn das Lungen-Qi erschöpft ist, verliert die Körperseele ihr Zuhause. Ihr Verhältnis zur Geistseele Hun, entartet, Krankheiten im geistig-seelischen Bereich folgen. Aus chinesischer Sicht ist jetzt ein Terrain entstanden, in dem die Geister Gui den Menschen schaden können und von ihnen Besitz ergreifen.

 

BEDEUTUNG DES NAMENS:

Shao: wenig, weniger, ein kleineres, geringfügig, spärlich, auch: jung. Das Schriftzeichen zeigt das Radikal No 42, Xiao = klein und einen Linksstrich; die Bedeutung ist: etwas vermindern, was schon klein ist (Wieger, L. 18 M).

In den Namen von Akupunkturpunkten bezeichnet Shao einen Ort mit geringerem Ener-giepotential oder einen Punkt mit wachsender Aktivität. Hier finden wir ein noch junges, aber entwicklungsfähiges Energiepotential, das leicht erregbar ist.

Shang: überlegen, beraten, Handel, handeln, Kaufmann, die Shang-Dynastie (1711 – 1122 v. Chr.), herbstlich, die zweite der fünf klassischen Musiknoten (Wu Yin); Luzifer, der Morgenstern. Das Schriftzeichen zeigt ein Haus, in dem vertrauliche Gespräche stattfinden. In den ältesten Schriften sind die Zeichen für zwei Tage hinzugefügt, ein Hinweis entweder auf die Länge der Konsultation oder das Stattfinden nachts zwischen zwei Tagen. Handel bzw. handeln ist eine sekundäre Bedeutung; vielleicht ein Hinweis auf die Wichtigkeit eines guten Gesprächs als Voraussetzung für den Geschäftsab-schluß? (vgl. Wieger, S. 15 D).

Shang ist seit alther in China einer der fünf Musiktöne, welcher der Wandlungsphase Metall und so der Lunge (Dickdarm) zugeordnet ist. In der westlichen Tonleiter entspricht ihm der Ton D (Re). Shang ist der Klang, der entsteht, wenn man auf Metall schlägt, eine durchaus simple Erklärung für diese Entsprechung.

Die fünf klassischen Musiknoten waren im alten China Embleme mit weitreichenden Bedeutungen:

"Heftige Winde im Sommer entsprechen der Note Jiao (Holz); krachender Donner im Herbst entspricht der Note Shang (Metall); leuchtende Blitze im Herbst entsprechen der Note Zhi (Feuer); heftige Regengüsse im Frühling und Sommer entsprechen der Note Yu (Wasser); Donnerrollen im Herbst entspricht der Note Gong (Erde)."

In der chinesischen Kriegskunst waren die fünf Töne Indikatoren für Sieg oder Niederlage:

"Wenn Shang ertönt, bedeutet das Sieg im Kampf; die Soldaten einer Armee sind stark. Wenn Jiao ertönt, hat die Armee Probleme; die Soldaten sind schwankend und verlieren den Mut. Wenn Gong ertönt, ist die Armee in guter Harmonie; Offiziere und Soldaten sind sich einig. Wenn Zhi ertönt, sind die Soldaten schwach; sie werden wenig Ruhm erwerben."

Schließlich stehen die fünf Töne als Symbole für soziale Strukturen und Beziehungen im alten China:

"Gong entspricht dem Prinzen, Shang ist der Minister, Jiao das Volk, Zhi entspricht den Regierungsangelegenheiten und Yu den zwischenmenschlichen Beziehungen."

Im allgemeinen gelten die tiefen Töne als vornehm (edel) und die hohen Töne als gering (gewöhnlich).

Shang = der Minister erinnert uns an unseren Lungenminister im mikrokosmischen Staat, der die öffentlichen Angelegenheiten regelt und für einen geordneten Rhythmus sorgt (vgl. SU WEN, Kap. 8).

Shao Shang als Binom bedeutet:

Der Shang-Ton korrespondiert mit Metall und damit auch mit der Lunge. Lu 11 = der Anfangspunkt einer Yin-Leitbahn, bezeichnet man als Shao-Shang = kleineres Metall, weil die fünf Töne in größere und kleinere unterteilt werden und der Yin-Aspekt eines Tones der kleinere ist. Shao Shang ist der hohe Ton, der vom Metall erzeugt wird.

Das GUANG YA, ein Musikwörterbuch aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., erklärt dazu: "Shen Nong baute eine Laute, die fünf Saiten hatte, Gong, Shang, Jiao, Yu und Zhi. König Wen fügte noch zwei Saiten hinzu, die Shao Gong-Saite und die Shao Shang-Saite. Shao Shang entspricht dem hohen Shang - Ton."

Das Qi der Lungenleitbahn entspringt in der Lunge, tritt an die Oberfläche und fließt zur Hand in den Daumen. Deshalb erreicht das Lungen (Metall) -Qi am Punkt Lu 11 seinen Gipfel, endet aber gleichzeitig schwach und spärlich, deshalb die Übersetzung Shao Shang = wenig Metall.

Nach einer anderen Theorie entspringt das Qi der Lungenleitbahn im Shao Shang-Punkt, es erscheint hier jungfräulich wie aus einer Quelle. Das Metall-Qi ist an dieser Stelle noch nicht entwickelt, sondern beginnt sich eben zu entfalten. (Shao-Shang = junges Metall). In diesem Sinne ein Hinweis auf den Holzcharakter von Lu 11.

Nach dem NAN JING beherrscht die Lunge die Stimme (Kap. 40). Ihre ureigenste stimmliche Manifestation ist das Jammern und Wehklagen. (Kap. 49).

Der chinesische Terminus Ku zeigt einen Hund und zwei Mäuler, und bedeutet Heulen und Schreien in der Art, wie Hunde es tun (Wieger, L. 72 C). Shao Shang, der hohe Metallton, ist so auch ein Hinweis auf die stimmliche Veränderung der Lunge sowie auf die Behandlung von Stimrnerkrankungen über diesen Punkt.

Shang = Luzifer, der Morgenstern, ist ein Symbol für den Planeten Venus, der durch seine Helligkeit besonders morgens im Osten und abends im Westen auffällt. Lu 11 ist der Holzpunkt (Osten) im Metall (Westen), die Venus der Planet der Wandlungsphase Metall. Shao Shang = junges Metall vereinigt die potentielle Aktivität des Holzes mit dem Glanz des Metalls, der an diesem Punkt entspringt, aber auch versiegt. Kaum ein anderer Punkt stellt diese Polarität zwischen Entstehen und Vergehen durch seinen Namen so deutlich dar wie Lu 11.

 

FUNKTIONEN:

  • kühlt Hitze in der Lunge (bluten lassen!)
  • befreit die Kehle bei allen Affektionen in der Rachen- l Kehlkopf-Region
  • korrigiert gegenläufiges Lungen-Qi (Blockaden im oberen Erwärmer)
  • erweckt zum Bewußtsein (wie alle Nagelpunkte wiederbelebend und ein kollabiertes

Yang wiederherstellend)

  • beruhigt den Shen
  • scheidet Feuer aus allen zwölf Hauptleitbahnen aus (blutenlassen)
  • beseitigt Geisteskrankheiten (Dian Kuang)

Dian Kuang beschreibt alle Formen der Geisteskrankheit in der chinesischen Medizin. Kuang (Manie) bezeichnet Stadien übertriebener Aufgeregtheit und Agitation, der Patient ist lärmend, aufsässig, ausgesprochen aggressiv, hält Reden, singt und lacht ununterbrochen und vernachlässigt seine äußere Erscheinung. Es handelt sich hier um eine Yang-Geisteskrankheit, bei der der Shen sich nach außen verstreut und so das Yang-Qi exaltiert.

Dian (Depression oder Rückzug) zeigt sich in extremer Introvertiertheit, Gleichgültigkeit, gestörter Sprache, Schweigsamkeit und innerer Leere (Yin), die entsteht, wenn das Leber-Qi chronisch stagniert, das Herz- und Milz-Qi schwach ist oder Schleim den Geist (Shen) blockiert. (vgl. über die Geisteskrankheiten LING SHU, Kap. 22, und NAN JING, Kap.59).

 

DER KLASSISCHE TIP:

(nach dem Zhen Jiu Da Cheng)

Anschwellen des Halses mit Verschluß der Kehle, Unruhe und Sorge (Xin Fan) mit häufigem Aufstoßen, Fülle unter dem Herzen, häufiges Schwitzen mit mit Gefühl von Kälte, Husten durch Reflux, Völlegefühl im Bauch, häufiges Aufstoßen, Trockenheit der Lippen mit Lust zu trinken, Schwierigkeiten, sich zu ernähren, Gefühl von Aufgeblähtheit, Kontrakturen von Daumen und Zeigefinger, Hitzegefühl in den Handflächen, Kälteschauer unter dem Kinn, Mumps der Kinder.