Diplomarbeit

von

Holger Duplinskis

Im Rahmen der dreijährigen Ausbildung in

Traditioneller Chinesischer Medizin

im Ausbildungszentrum Nord

 


Traditionelle

Chinesische Medizin

und Psychologie

&

Psychotherapie mit Akupunktur

 

 

 

 

Inhalt und Gliederung

 

 

Seite

Vorwort

3

Einleitung

6

Was ist Psyche im chinesischen Denken?

14

Die Wu Shen

18

Die "Wanderseele"Hun

19

Die "Körperseele" Po

22

Die "Denkseele" Yi

25

Das "Wollen" Zhi

26

Was sind Emotionen?

28

Die Emotionen in den Wandlungsphasen

33

Zorn (Nu)

33

Freude (Xi Le)

40

Sorge (Si)

44

Trauer (Bei)

47

Angst (Kong)

50

   

 

 

Vorwort

Schon zu Beginn der Ausbildung in klassischer traditioneller Akupunktur faszinierte mich die Vorstellung, daß man im Rahmen der Traditionellen Chinesischen Medizin den Menschen in seiner Gesamtheit, mit seinen psychischen und physischen Vorgängen erkennt, beurteilt und behandelt.

Es findet keine Trennung zwischen Seele und Körper statt, wie es im kartesianischen westlichen Denken vorherrschend ist, sondern alles ist Energie, alles ist "Qi", und es gibt den Körper-Seele-Geist-Menschen, der als Gesamtheit betrachtet und wahrgenommen wird.

Als ich in meinem ersten Akupunkturatlas die einzelnen Punkte und ihre Bedeutung beschaute, war ich beeindruckt, wie oft dort in der Beschreibung zu den Punkten Begriffe wie: "beruhigt den Geist"; "stärkt den Willen" etc. vorkommen, was darauf schließen ließ, wie sehr diese Punkte neben ihren somatischen Entsprechungen und Zielrichtungen auch psychische Gegebenheiten und Zustände enthalten und berücksichtigen, die weit über das Behandeln von somatischen Erkrankungen der Patienten hinausgeht.

Derweil ist mir bekannt, daß es ca. 130 Akupunktur-Punkte gibt, die bei emotionalen

und spirituellen Dysharmonien eingesetzt werden können.

Darüber hinaus wurde mir mit der Zeit deutlich, daß die Bedeutung der Punkte noch viel weitreichendere Wirkungsrichtungen und noch tiefere Aussagen u.a. auch zum Thema Mensch und Spiritualität beinhalten, die in Punktebeschreibungen wie "Dämonepunkte", "Himmelsfensterpunkte", "Drachenpunkte" zum Ausdruck kommen. Diese Punkte haben, neben ihren allgemeinen Wirkrichtungen, eine spezifische Wirkweise auf psychische bzw. psychopathologische Zustände.

Während ich in einigen ganz "wissenschaftlichen" Akupunktur - Büchern die bemühte Suche der Autoren wahrnahm, die Akupunktur, die Akupunkturpunkte und die Leitbahnen in ihrer materiellen Beschaffenheit zu erklären, und die Wirkweise des Akupunktierens ausschließlich als neuronale Reaktion zu erklären bzw. überhaupt alles letztlich dem Palcebo-Effekt zuzuordnen, um es kurz zu sagen: das Phänomen Akupunktur in ein westlich-logisches überschaubaren zu bringen, mußte ich oft in mich hineinschmunzeln, weil ich mir zunehmend sicherer war, daß es für die Wirkweise der Akupunktur nicht partout wichtig ist, was sich dort eigentlich auf der somatischen Ebene im Akupunkt ereignet oder wie die Energieübertragung oder die Wirkweise nun im Eigentlichen funktioniert, sondern wichtig wurde mir eher jenes, was man alles "wunderhafterweise" mit Akupunktur bzw. der Traditionellen Chinenesischen Medizin in Menschen erklären und im Menschen bewegen kann.

 

Und natürlich auch im Speziellen die Möglichkeiten, die sich im Rahmen der Behandlung von psychischen Erkrankungen ergeben.

Mit dem eben Beschriebenen möchte ich die Arbeit der Kollegen, die sich auf dieser somatischen Ebene mit der Akupunktur beschäftigen, nicht abwerten; ich finde es ist ein wichtigen Beitrag, den Menschen die Akupunktur auf allen Ebenen begreiflich und verständlich zu machen.

Für die Menschen, die vor Tausenden von Jahren in China die Grundzüge der Akupunktur festlegten, war es nicht von entscheidender Wichtigkeit, ganz bestimmt und exakt zu erklären, was genau auf der körperlichen Ebene geschieht;

sie mußten die Dinge, die Existenz des Lebens nicht beweisen, sondern es reichte ihnen aus, die Phänomene zu beobachten, und ihren Nutzen daraus zu ziehen.

Sie waren darüber hinaus eher mit "größeren" Dingen und Inhalten beschäftigt wie z.B. das "Dao", das den Menschen in seiner Stellung zwischen Himmel und Erde beschreibt.

Im Nei Jing, dem Buch mit den beiden Buchteilen Su Wen (Einfache Fragen) und Ling Shu (Die Kraft des Wirkvermögens) werden die Grundsätze der chinesischen Medizin beschrieben. Bis zur Fertigstellung (ca. 200 v. Chr.) haben verschiedene Autoren den Stoff dieser Bücher zusammengetragen und damit wesentlich an der Zusammenfassung der schon Jahrhunderte alten Gedanken und Erfahrungen in der chinesischen Medizin beigetragen. Dieses Werk gibt in wunderbarere Weise darüber Auskunft, wie komplex und differenziert die Chinesen

schon damals alle Aspekte des menschlichen Seins wahrgenommen haben, in dem sie den Menschen in seiner Spannung zwischen Himmel und Erde beschrieben, und damit versucht haben, die Ordnung des Universums und der kosmischen Kräfte dem Menschen erklär- und nutzbar zu machen.

Diese Pioniere der chinesischen Philosophie und Medizin hatten eine sehr weitreichende und ausführliche Sicht des Menschen, von der wir auch noch heute profitieren können, da die Bedingungen des Menschen in China und woanders die gleichen geblieben sind.

Zum anderen ist meines Erachtens davon auszugehen, daß einige dieser Menschen, die die Grundlagen der TCM gelegt haben, mit übernatürlichen Begabungen und "Hellsichtigkeiten" ausgestattet waren, die energetische Gegebenheiten in der Natur wahrnehmen konnten, und auch in der Lage waren, die Energetik der Akupunktur-Leitbahnen und Punkte zu bestimmen.

 

 

Durch die Ausbildung, durch eigene erfahrene Akupunktur-Therapie, und durch die Behandlungen mit meinen Patienten bin ich derzeit fest von der ganzheitlichen Therapie mit Akupunktur überzeugt.

Ich halte das phantastische Denkmodell der Traditionellen Chinesischen Medizin gerade in Bezug auf die ganzheitliche Sicht von Kosmos, Welt und Menschen für enorm und großartig und mit Abstand für das Allumfaßendste, was Menschen in den Jahrtausenden ihres Erdendaseins haben entdecken und entwickeln können.

Ich fühle mich sehr geehrt und bin froh, daß ich an diesem gigantischen Wissen teilhaben darf, und vermutlich auch den Rest meines Lebens damit beschäftigt sein werde, zunehmend mehr über dieses allumfassende Thema zu lernen und in mich aufzunehmen.

Ich habe durch die Ausbildung und Beschäftigung mit der Traditionellen Chinesischen Medizin, insbesondere mit der psychisch/spirituellen Sichtweise vieles für mich persönlich (neu) entdecken und erweitern können. Da ist zum Beispiel auch meine Sicht für die "spirituelle Welt" auf eine neue und interessante Weise belebt worden, die mich interessiert und neugierig auf das blicken läßt, was dort noch alles auf Entdeckung und Eroberung für mich wartet.

An dieser Stelle möchte ich allen den Lehrern danken, die mir über die Jahre der Ausbildung all das an Wissen und Erfahrungen vermittelt haben, was mich nun befähigt hat, die Akupunktur als Schwerpunkt-Therapie in meiner heilpraktischen Tätigkeit einzusetzen.

 

 

Einleitung

Bevor ich daran gehen möchte, die Beziehungen von Akupunktur und Psyche näher zu definieren, scheint es mir notwendig, den Begriff Psyche in seiner heutigen Bedeutung bzw. Verwendung und in seiner geschichtlichen Entwicklung in China und Europa kurz zu erörtern und die verschiedenen medizinischen Ansätze miteinander am Beispiel des Begriffs "Depression" zu vergleichen.

Der Begriff der Depression unterscheidet sich in der Bedeutung der westlichen Medizin zu einer energetischen Störung, wie es die Chinesische Medizin sieht, schon alleine dadurch, daß die Ätiologie dieser Störung sehr unterschiedlich gedeutet und dementsprechend natürlich auch behandelt wird.

 

Der westliche Arzt

Käme ein Patient mit einem Gefühl der Niedergeschlagenheit, mit einem Gefühl der inneren Lähmung und Antriebslosigkeit in die Praxis eines westlichen Arztes, würde dieser - sicher abhängig davon, wieviel Zeit er für diesen Patienten aufwenden kann - versuchen, die Symptome, die der Patient berichtet, in sein "Schema" von Krankheit einzuordnen. Er würde vielleicht nach der Häufigkeit dieser Gefühle fragen, vielleicht sich danach erkundigen, wie die derzeitigen Lebensumstände des Patienten sich gestalten. Die Diagnose, die der Arzt aus der Befragung gewinnen wird, könnte für diesen Patienten - abhängig vom Schweregrad - von psychischer Verstimmung bis Depression lauten.

Da er sich kein längeres Gespräch "leisten" kann, schlägt der Arzt als Therapie Antidepressiva vor, oder, wenn er die Notwendigkeit einer Therapie für nötig hält, überweist den Patienten an einen Psychotherapeuten.

Daß die Symptome des Patienten in einen größeren Zusammenhang mit seinem Leben stehen (z.B. einen großen Energieverlust nach einem Schock, oder aus frühkindlichen, traumatischen Erlebnissen stammen oder kongenialer Natur sind); daß der Patient gewisse - eher unauffällige - somatische Disharmonien aufweist, die schon als Hinweis gelten könnten, daß hier schon aufgrund der seelischen Erkrankung sich eine leichte Psychosomatik ereignet hat; oder daß diese seelischen Verstimmungen möglicherweise aus Ernährungsfehlern resultieren können, und vieles mehr.....

Dieses ist dem westlichen Mediziner aufgrund dessen, was er im Studium gelernt hat, nicht möglich zu erkennen.

 

 

Obwohl in den letzten Jahren vielen Medizinern deutlich geworden ist, daß sie im Rahmen des "Gesundheitssystems" (Was ja eigentlich ein Krankheitssystem ist!)

letztlich nur Symptome unterdrücken, als denn Krankheiten überhaupt zu heilen, daß ihre ärztliche Praxis im Verwalten von Patienten und Krankheiten besteht, und daß sie häufig nur der verlängerte Arm der Pharmaindustrie sind, muß man doch feststellen, daß sich die Gesamtheit der Medizinerschaft als konservativ, schwerfällig und träge erweist, neue Erkenntnisse aus der Forschung, die ja nun zuhauf vorliegen, in die Praxis aufzunehmen.

Wie heißt es so treffend: "Wahrend die Physiker wieder an Gott glauben, glauben die Ärzte noch an die Physiker!"

 

Der chinesische Arzt

Der chinesische Arzt würde hingegen (jedenfalls, was die chinesische Theorie angeht, dazu s. später) die Depression aus den gesamten Symptomen des Menschen mit seinen körperlichen und seelischen Aspekte beurteilen. Er würde z.B. danach fragen bzw. feststellen, ob der Patient eine Tendenz zum lauten Sprechen hat, oder ob er schnell zum Zorn neigt. Auf der körperlichen Ebene könnten Fragen nach Sehstörungen, Muskelzuckungen, steifen Nacken, Spannungen oder Schmerzen unterm Rippenbogen, mißgebildete oder rissige Nägel gestellt werden. Es würde danach gefragt werden, ob der Patient Wind als angenehm oder unangenehm empfindet. Alles Merkmale der Wandlungsphase Holz, die bei einer bestimmten Form der Depression als Ursache bekannt ist.

 

Das Dilemma der westlichen Medizin

Der westliche Medizin fehlt es an jeder Theorie und Philosophie über Energetik oder energetische Prozesse im Universum.

An den Universitäten, die unsere Mediziner ausbilden, wurde eine technologische Behandlung von Teilen statt Patienten gelernt, statt Personen/Patienten in ihrer ganzen Komplexität zu erfassen.

Ted Kaptschuk sagt hierzu:

"Die westliche Medizin ist hauptsächlich mit isolierbaren Krankheitskategorien oder- ursachen beschäftigt, die sie herausgreift und zu ändern, zu kontrollieren oder auszuschalten versucht"(1)

Die westliche Medizin ist Erbe des kartesianischen Denktradition und der industriellen Revolution, die auf Kontrolle, ja, Unterwerfung der Natur und des Universums abzielen.

Das westliche Medizinmodell ist das einzige in der Geschichte der Menschheit, welches kein energetisches Konzept von Gesundheit und Krankheit hervorgebracht hat. Alle anderen Heilungssysteme basieren auf einer Philosophie der Energie und Lebenskraft.

Auch die "primitivsten" Völkergruppen dieser Erde hatten immer solche Menschen in ihren Reihen, die die Zusammenhänge von Gesundheit und Krankheit immer im Kontext des gesamten Menschen, Gruppe und Volk betrachtet haben und damit auch nie auf den Gedanken gekommen wären, den Menschen nur in seinen Einzelteilen wahrzunehmen oder ihn isoliert, ohne seine Umwelt mit einzubeziehen, behandelt hätten.

Im Gegensatz zu den Menschen früherer Jahrhunderte, die sich mit dem Erkennen von Krankheiten und deren Entstehung beschäftigten, die mit ihren Beobachtungen und Konsequenzen immer die natürlichen Abläufe der energetischen Dynamiken als Grundlage hatten, und den Einzelnen in seiner Gesamtheit betrachteten, hat die westliche Medizin keinen einheitlichen Ansatz, kein homogenes Denkmodell, mit dem sie die Phänomene des Lebens begreifen und ihnen begegnen kann.

Die westliche Medizin hat sich in Spezialgebiete fragmentiert, hat Fachärzte und Fachdiziplinen hervorgebracht, die ausgerüstet mit einem großen diagnostischen Instrumentarium wohl viel von "Krankheit" verstehen, dadurch aber trotzdem der eigentlichen Dynamik von Krankheiten zum Wohle des Patienten nicht näher gekommen. Es wird in immer kompliziertere Welten der Chromosomen, Genen und Zellbestandteille herum geforscht, mit dem Ziel, hier nun endlich die Lösung von Krankheit und den Problemen der Menschheit zu finden.

Wie der Psychoanalytiker Leon Hammer feststellt, fehlt es der westlichen Medizin an einer eigenen Matrix "...... Die Medizin mit all ihren Errungenschaften bleibt eine unkoordinierte Anhäufung anatomischer, physiologischer, pathologischer und biochemischer Information. Kein Teil ist mit dem anderen verbunden. Es existiert kein Ganzes, kein lebendiger, alles zusammenhaltender Faden....."(2)

 

 

Das Dilemma der chinesischen Medizin

Wenn man heute in der TCM-Literatur in den Beschreibungen der Syndrombilder zu den Wandlungsphasen Begriffe wie Depressionen, (z.B. zum Thema Holz) oder anhaltende Sorgen und Grübeln (Thema Erde) liest, bekommt man den Eindruck, daß die Beschreibungen zu diesen psychischen Erscheinungen einfach so aus dem Chinesischen Denken übernommen werden könnten, ohne daß man die Verschiedenheit der jeweiligen Ansätze (Ost und West) überprüfen müßte.

Das Wissen über psychologische Prozesse, worüber wir als westliche Ärzte, Psychologen und Patienten verfügen, resultiert aus einer langen Entwicklung, die aus der Philosophie und Medizin und Psychologie des Abendlandes entstanden ist.

Wir im Westen haben durch unsere Entwicklung als Individuum und durch das Aufwachsen mit so etwas wie "Psychologischem Bewußtsein", dem chinesischen Menschen voraus, daß wir unsere Emotionen und emotionalen Erlebnisse als solches wahrnehmen und ausdrücken können und dürfen, und haben sogar Priester, Pfarrer, Seelsorger, Psychologen und Psychotherapeuten, die sich eingehend mit der Seele des Menschen beschäftigt haben, und uns bei den seelischen Erkrankungen professionell zur Seite stehen.

Friedjoff Capra gibt zu bedenken, daß das chinesische System jedoch nur in der Theorie ganzheitlich ist "... Es gibt keine Psychotherapie und keinen Versuch, dem Patienten zu raten, wie er seine Lebenssituation ändern könnte."(3)

Wir müssen im Westen vorsichtig sein mit der Adaption des chinesischen-akupunktur-energetischen Modells, und dem dahinter stehendem Menschenbild, da es sich in der Bewertung und Behandlung, gerade von psychischen Erkrankungen, sehr vom westlichen Denken unterscheidet, und wir mit dem unkritischen Übernehmen dem westlichen Patienten mit all seinen Individualitätsansprüchen und seinem psychologischen Selbst nicht gerecht werden können. Da der westliche Patient schon gelernt hat, zwischen seinem physischen Problemen und seinen psychischen Befinden zu unterscheiden, müssen wir diesem auch in der Diagnose und Behandlung Rechnung tragen.

Der westliche Mensch ist ein psychologischer, und dieser Aspekt des Patienten muß berücksichtigt werden.

Obwohl die klassischen chinesischen Medizinbücher von einem ganzheitlichen Modell von Mensch, Natur und Medizin ausgeht, hält sich das heutige (mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schon die frühere) Praxis streng an körperlichen Veränderungen.

Die traditionelle chinesischen Medizinpraxis ist grundsätzlich somatisch und stellt die Gesundheit des Körpers über die des Geistes.

In diesem Sinn leidet auch das orientalische Medizinmodell unter dem Dilemma von Körper und Geist, da sie die Rolle der Psyche auf der praktischen Ebene vernachlässigt.

Das chinesische Medizinmodell berücksichtigt die Psyche des einzelnen nur soweit, wie eine Entsprechung besteht zwischen den Emotionen der fünf Wandlungsphasen. (Dazu später mehr)

Ein chinesischer Patient, der mit Erscheinungen einer gestörten Holzphase mit Symptomen wie Zornausbrüchen, Depressionen zur Behandlung gekommen ist oder auch heute käme, würde der chinesische Arzt dieses Symptome zwar als zusätzliche diagnostische Daten benutzen, aber er würde sich nicht ausschließlich den psychischen Problemen des Patienten zuwenden, noch Deutungen zur psychologischen Bedeutung seiner Beschwerden anbieten.

Dieses ist nicht verwunderlich, denn das konfuzianische Konzept des Individuums, das die chinesische Gesellschaft beeinflußt hat, besteht nicht aus einem psychologischen Selbst.

Im Vordergrund steht die Gesellschaft, Familie, Gruppe, Staat.

In der chinesischen Kultur war das Individuum ein grundsätzlich soziales.

Verhaltensprobleme, die wir im Westen als psychologische Störung der Persönlichkeitsentwicklung verstehen, wären in China grundsätzlich Fragen der sozialen Anpassung. Jemand mit einem von der Norm abweichenden Verhalten würde demnach nicht an einen medizinischen oder psychologischen Spezialisten verwiesen, sondern an die Gemeinschaft, die das Problem auf der sozialen Ebene anging.

Der Arzt wird sich auf die Körperstörungen konzentrieren, wie ein beklommenes Gefühl in der Brust oder eine zugeschnürter Kehle.

Der Arzt verschreibt eine Akupunkturbehandlung oder einige Kräuter, um das reibungslose Funktionieren der Person wieder zu gewährleisten

Hat ein chinesischer Patient, was wir im Westen Depression nennen, wird er dazu neigen, seine Erfahrungen zu somatisieren, sie im Körper zu erfahren, vielmehr als sie "psychologisch" zu erleben.

Das psychologische Selbst, das im Zentrum der Praxis der westlichen Psychologie, Psychiatrie und Psychosomatik steht, ist in China praktisch unbekannt.

In China existiert bisher nichts, was wir im Westen mit Psychotherapie benennen würden. Wie mir Frau Prof. Hu bei ihren letzen Besuch mitteilte, ist in den letzten Jahren aber auch hier ein Wandel in China feststellbar. Kliniken und andere medizinischesche Einrichtungen geben den psychischen Phänomenen der Patienten mehr Raum, so daß der Begriff des Individualpsychologischen mehr zum Tragen kommt, und der einzelne u.a. auch durch die "Ein-Kind-Politik" (welches als Auswirkung das Individuum mehr ins Zentrum rückt) mehr sein "Recht" fordert.

Zum anderen ist die chinesische Gesellschaft auf vielen Ebenen in einem derartigen Wandel begriffen, der auch vor den alten Strukturen und Werten nicht halt macht, sondern, ähnlich, wie im Westen, viele Menschen auf sich selbst zurückwirft, was zwangsläufig die Menschen, die nicht mehr durch die Gruppe, Familie, Gesellschaft aufgefangen werden, zu Einzelwesen entwickeln läßt.

Dieses ist wohl der Beginn einer auf das Individuum gerichteten Sicht des Menschen.

Wie nun beschrieben wurde, ist - jedenfalls, was die chinesische Praxis angeht -die Psyche des Menschen eher nebensächlich und hat lange nicht so eine weitreichende Bedeutung, wie wir es durch unsere abendländische Entwicklung

in unseren Breitengraden der Psychologie kennen.

 

 

Der Vorteil des chinesischen Medizin-Modells

Das chinesisch, energetische Modell, das der TCM zugrunde liegt, welches durch jahrtausende lange Beobachtung der natürlichen Prozessen und Lebensabläufen, zu sehr ausführlichen und plausiblen, Erklärungen des Menschen und seiner Umwelt gekommen ist, stellt für die westliche Philosophie, Psychologie und Medizin eine einzigartige Ergänzung dar.

"In der chinesischen Medizin existiert eine Theorie von Gesundheit, die auf dem Wissen um gesunde Bewegung, Balance, Rhythmus und Menge an Energie basiert"(4)

Alles basiert auf dem Modell vom energetischen Gleichgewicht ausgedrückt durch Yin und Yang.

"In der chinesische Medizin studiert und Behandelt man den Menschen, nicht die Krankheit"(5) und der Mensch wird nicht aufgeteilt erlebt, sondern ist mit seinen

verschiedenen Seinsebenen ein Ganzes, also Körper-Seele-Geist.

Unter dieser Prämisse wird der Patient in seiner Gesamtheit wahr- und angenommen und seine körperlichen Erscheinungen rangieren in der Wertigkeit auf gleicher Ebene wie seine seelischen.

"Während die moderne Psychologie und westliche Wissenschaft hundert Jahre lang gekämpft haben, bis sie endlich diese Verbindung (Seele/Körper) formulieren konnten, kennt die chinesische Medizin ganz präzise Entsprechungen zwischen diesen beiden Aspekten"(6)

Die chinesische Medizin hat ein Therapiesystem entwickelt, in dem individuelle Kräfte als "Mikrokosmen" der kosmischen Kraft angesehen werden, wobei Entsprechungen bestehen zwischen den Kräften, die in Körper und Geist eines Menschen wirken, und den Mächten, die im Universum walten. Überall wirkt die gleiche Energie (alles ist Qi), die sich auf der jeweiligen Ebene nur anders ausdrückt.

 

Ein wichtiger Aspekt der chinesischen Medizin und der Akupunktur, auf den Leon Hammer hinweist, liegt darin, daß die Wirkung der Akupunktur einen "nährenden" und stärkenden Effekt auf die behandelnde Person hat.

Der Patient ist zwar auf sich selbst gestellt und auch Herr seinen Schicksals, aber "ist ein System einmal soweit gestört, daß der Mensch es nicht mehr selbst zu heilen vermag, so kann die chinesische Medizin ihm helfen, wieder genug Energie zu gelangen, um die falsche Lebensführung zu korrigieren und sich aus sich selbst heraus aufrecht zu erhalten."(7)

Friedjoff Capra:

"In der Chinesischen Medizin ist der ideale Arzt ein Weiser, der das Zusammenwirken aller Strukturen des Universums erkennt und jeden Patienten auf ganz individueller Basis behandelt.

Seine Diagnose stuft den Patienten nicht automatisch in eine Gruppe von Menschen ein, die an einer bestimmten Krankheit, sondern erfaßt so vollständig wie möglich den körperlichen und geistigen Zustand des einzelnen und seiner Beziehung zur natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt"(8)

 

 

Die Synthese

Östliche und westliche Medizin können sich gerade auf dem Gebiert der Psychologie, der Psychotherapie wunderbar dadurch ergänzen, indem das alte orientalische Wissen der Chinesen über Energie und den natürlichen Erkenntnissen und Prozessen des Lebens mit dem fundamentierten Wissen von verschiedenen psychologischen Modellen und Erfahrung und Geschichte der Individualpsychologie des Westen kombiniert wird.

Leon Hammer bemerkt hierzu: "Sowohl in der chinesischen Medizin als auch in der westlichen Psychologie liegen Gesundheit und Krankheit letztlich in der Verantwortung des Patienten. Wertvorstellungen und Verhaltensweisen sowie eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Selbst sind in der chinesischen und in der psychoanalytischen Tradition die Grundlage von Gesundheit. Der Arzt hilft, die Natur heilt, und jeder Einzelne ist verantwortlich für seine Beziehung zur Natur und sich selbst."(9)

Weil die Akupunkturenergetik zu einer neuen Sicht in der Psychosomatik beiträgt, ist sie das fehlende Glied im westlichen Verständnis der Interaktion von Körper und Geist, denn diese Energiemuster sind klinisch nachgewiesen und Jahrtausende erfolgreich angewandt worden.

Den Versuch der konkreten Annäherung von östlichen und westlichen Konzepten haben verschiedene Autoren und Therapeuten unternommen. Die Therapeuten und Autoren der chinesischen Medizin Dr. Leon Hamner, Ives Requenia, Worsley, Dianne Conelly, Claude Larre und Elisabeth de la Valleè, K.D. Platsch, haben in hervorragender Weise versucht, eine Brücke zwischen den verschieden Welten von Ost und West herzustellen, und damit insbesondere dem chinesischen Ansatz zu einer fundamentalen Ergänzung des westlichen Denkens verholfen.

 

 

Was ist Psyche im traditionellen Denken der Chinesen?

Im Unterschied zum westlichen Begriff von Psyche/Seele gibt es im chinesischen Denken nicht nur einen Begriff, der das Phänomen Psyche beschreibt, sondern nach den fünf Wandlungsphasen existieren fünf psychische (und körperliche) Entsprechnungen, die die verschiedenen Seins-Aspekte des gesamten Menschen

beschreiben.

Die Differenzierung der verschiedenen Seelen-Aspekte wird im Chinesischen mit

dem Begriff WU SHEN beschrieben.

Mit den "WU SHEN", (WU= fünf, SHEN = Geist) den fünf geistigen Aspekten der fünf Wandlungsphasen werden sowohl die primitiven und ursprünglichen Anteile der Seele, als auch die höheren intellektuellen und verstandesmäßigen Bestandteile beschreiben.

Im Su Wen Kapitel 23 wird gesagt:

Das sind die Schätze, die die fünf Zang beherbergen:

Das Herz birgt den Geist Shen, die Lunge birgt die Po; die Leber birgt Hun,

Die Milz den Verstand Yi; die Nieren bergen den Willen Zhi.

Das sind die Schätze, die die fünf Zang beherbergen."

 

 

Was ist Shen?

Die Grundlage dessen, was die Seele, das Mental-Psychische im traditionellen Chinesischen Denken beschreibt und ausmacht, wird mit dem Begriff SHEN beschrieben.

Shen meint den Komplex aller fünf mental-spirtuell-psychischen Aspekte eines Menschlichen Wesens und bedeutet soviel wie Geist.

Shen ist eine Form von Qi, die sehr fein ist und wie wir sehen werden, sich nicht nur auf der geistigen Ebene ausdrückt und auswirkt.

.

Auf der individuellen Ebene ist Shen die dem Organismus gebende Kraft, und Inhalt des menschlichen Bewußtseins.

Die individuellen, psychisch mentalen Anteile und die Art, wie ein Mensch seine Präsenz zum Ausdruck bringt, wird mit Shen beschrieben.

Shen umfaßt unser gesamtes Bewußtsein, wie aber auch das Nachtbewußtsein,

also alles das, was wir während des Schlafes nicht wahrnehmen.

Neben den bewußten Wahrnehmungen umfaßt Shen auch alle Ebenen des Unterbewußtseins, alle Bilder, Intuitionen, Phantasien, Vorstellungen, aus denen die Mythen entstanden sind.

Auch das, was man als religiöses Bewußtsein bezeichnet, hat hier seinen Ursprung.

Shen steht für alles, was mit Denkvermögen, Gegenwärtigsein (Bewußtheit) zu tun hat, und für die Fähigkeit, sich an Dinge erinnern zu können (Gedächtnisfunktion)

Die Bewußtseinqualitäten von Shen sind Bewußtheit, Achtsamkeit und Konzentration.

Shen meint die Fähigkeit, mein Bewußtsein, meine Aufmerksamkeit, auf etwas zu lenken, und mich auf etwas konzentrieren zu können.

Shen wird ferner zur chinesischen Diagnose mit einbezogen, denn Shen äußert sich

im Menschen in Antlitz, in dem Ausdruck der Augen, sowie im Zustand von Zunge und Puls.

Hat ein Mensch eine klare Stimme und ist körperlich und psychisch gesund, ist er stabil und kräftig ist, dann hat er "Shen".

Shen und das Denken

Das Vermögen zu denken, hängt vom Geist ab.

Ist das Denkvermögen stark ausgeprägt, so ist das Denkvermögen klar, ist es schwach oder in Unordnung, so ist das Denken verlangsamt und eingeschränkt.

Die chinesische Schriftzeichen für Gedanke (YI), Denken (xiang) und Nachdenklichkeit (si) haben alle das Schriftzeichen für Herz als ihr Radikal.

 

Shen und Gedächtnis

Wenn Shen Gedächtnis bedeutet, so wird es in zwei Bedeutungen gesehen:

Zum einen meint es die Fähigkeit, sich, z.B. beim Studieren Daten und Fakten zu merken, anderseits bedeutet es, sich an Vergangenes zu erinnern.

Beteiligt an diesen Vorgängen sind nach den Wandlungsphasen das Herz, die Milz und die Niere. Sie können bei Störungen als Urheber in Frage kommen.

So ist z.B. das Kurzeitgedächnis dem Herzen und das Langzeitgedächtnis der Niere zugeordnet.

Das Bewußtsein ist die Gesamtheit von Gedanken, unsere Möglichkeit etwas wahrzunehmen und zu wissen, daß wir sind, also bei Bewußtsein sind. Wenn der Naturphilosoph Descartes sagt: "Ich denke, also bin ich", so hat er hiermit umschrieben, was die Chinesen mit Shen aussagen möchten.

Meine Fähigkeit, mich wahrzunehmen, beruht darauf, daß ich denken kann; daß ich denken kann, beweist, daß ich bin.

Der Geist des Menschen ist verantwortlich für das Wahrnehmen von Gedanken und Gefühlen und er schenkt uns die Begabung, Dinge zu erkennen bzw. Erkenntnisse zu haben.

Sind wir bei Bewußtsein, ist der Geist klar.

Wir werden vielen verschiedenen emotionalen Reizen, Wahrnehmungen, Gefühle und Empfindungen unterworfen, die alle vom Geist wahrgenommen und erkannt werden. Dieses bedeutet, daß wir durch Shen die Fähigkeit haben, zur Kenntnis unserer Selbst zu gelangen.

 

Shen und Emotionen

Ausschließlich der Geist (und damit das Herz, dort, wo Geist beheimatet ist) kann Emotionen fühlen.

Natürlich beeinflussen Emotionen auch alle anderen Organe, es ist aber bloß der Geist, der sie tatsächlich erkennt und fühlt.

Zum Beispiel beeinträchtigt Zorn die Leber; sie kann ihn aber nicht fühlen, weil sie den Geist nicht beherbergt.

Nur das Herz kann Zorn fühlen, denn es behaust den Geist, der für die Einsicht verantwortlich ist.

Aus diesem Grund beeinträchtigen alle Emotionen früher oder später das Herz, zusätzlich zu anderen, spezifischen Organen, die durch Emotionen geschädigt werden können.

Wahrnehmung bedeutet, daß der Geist als Reaktion auf Stimuli diese aufnehmen und sich vergegenwärtigen kann.

Shen und Intelligenz

Auch die Intelligenz hängt vom Herz und vom Geist ab.

Ein starkes Herz und ein starker Geist machen einen Menschen intelligent und klug. Eine Schwäche von Herz und Geist läßt den Menschen hingegen langsam und stumpf werden.

Weisheit entspringt einem starken Herzen und einem gesunden Geist

Ideen haben sind eine weitere Funktion des Geistes.

 

 

Was ist der Ursprung von Shen?

Im Ling Shu im 8 Kapitel heißt es:

"Das Leben wird durch die Essenz vermittelt. Wenn sich die beiden Essenzen vereinen, so bildet sie den Geist. Die Essenz ist der Ursprung und die biologische Grundlage des Geistes."

Die Essenz wird nach der Geburt in den Nieren gespeichert und bilden die

Grundlage für den Geist.

Es sind Mutter und Vater, die durch die Vereinigung ihrer Essenzen neues Leben

und somit auch die Grundlage für neuen Geist hervorbringen.

 

 

Wo ist der Shen?

Da das Herz alle mentalen Aktivitäten des Geistes regelt und für Einsicht und Wahrnehmung zuständig ist, also für Funktionen, die die anderen Organe nicht verfügen, wird es auch aus diesem Grund als Herrscher der Organe bezeichnet.

Dies ist auch die Ursache dafür, daß das Herz als Wurzel des Lebens bezeichnet wird.

Su Wen, Kap. 9 "Das Herz ist die Wurzel des Lebens und der Ursprung des geistigen Lebens."

Unter allen Organen hat der Geist den engsten Bezug zum Herzen, welches als seine Residenz bezeichnet wird.

Su Wen, Kap. 8 " Das Herz ist der Monarch, es regiert den Geist"

und

Ling Shu, Kap. 71 " Das Herz ist der Monarch der fünf Yang- und er sechs Yin-Organe, es ist die Residenz des Geistes"

Shen, der Geist ist im Herzen des Menschen beheimatet und ist für viele verschiedene Vorgänge zuständig: Wahrnehmung, Schlaf, Intelligenz, Gedächtnis,

Spiritualität.

 

 

Shen wohnt im Herzen

Nach chinesischer Sicht wohnt Shen im Blut des Herzens.

In der Nacht stellt Shen seine Aktivität in der Außenwelt ein und zieht sich ins Herz zurück. Hier wird Shen vom Blut in der Nacht genährt, um so für die nächste Tagesphase gerüstet zu sein. Das ist übrigens auch ein Grund dafür, warum dem Schlaf in der TCM eine solch wichtige Bedeutung beigemessen wird.

Hat der Mensch Schlafstörungen, kann es u.a. daran liegen, daß Shen nicht die materielle Grundlage für das "Hausen" im Herzen zur Verfügung gestellt wird, was bedeutet, daß der Mensch nicht genügend (Herz-) Blut hat. Dieses ist ein zutiefst pathologischer Zustand, der auch noch andere schwerwiegende Konsequenzen mit sich ziehen kann.

Shen und Träume

Wenn man davon spricht, daß Shen nachts im Herzen ruht, so bedeutet es aber nicht, daß Shen dort untätig ist. Shen ist dort auch für das Nacht- bzw. Unterbewußtsein zuständig. Er wacht über unser Traumleben, bzw. alles, was wir mit dem normalen Traumerleben in Verbindung bringen. Wir wissen, daß wir träumen - erinnern uns aber in der Regel nicht detailliert an Träume.

Träumt ein Mensch viel oder hat häufig unruhige Traumerlebnisse bzw. Alpträume, so ist hier ein Störung im Shen zu vermuten, die möglicherweise im Zusammenhang mit einen Mangel an Herz-Blut auftritt, aber auch durch eine Störung im Funktionskreis der Leber seine Ursache hat.

Von alten daoistischen Weisen wird gesagt, daß sie nicht mehr träumen müssen, weil sie am Tage alles derart bewußt ausleben, und von daher nicht mehr die Nacht zum Ausleben ihrer unerledigten Dinge benötigen.

 

 

Die "Wu Shen"

Alles, was auf den vorherigen Seiten zum Thema Shen beschrieben wurde, bezog sich erst einmal auf die Wandlungsphase Feuer, dem das Organ Herz zugeordnet wird.

Nun möchte ich im Folgenden die verschiedenen psychischen Aspekte der übrigen Wandlungsphasen erörtern, die Leber mit der "Wanderseele" HUN, die Milz mit der "Denkseele" YI, die Lunge mit der "Körperseele" PO und die Niere mit dem

Willensaspekt ZHI.

 

Das Su Wen sagt in 23. Kapitel:

"Das, was die fünf Zang speichern: das Herz speichert Shen geistige Welten, Die Lunge speichert die Po, die Leber speichert Hun, die Milz speichert Yi Vorstellungskraft, die Nieren speichern das Zhi Wollen. Solches sind die Speicherungen der fünf Zang."

 

 

Shen in der Leber

Die "Wanderseele" HUN

Das chinesische Schriftzeichen setzt sich aus Wolke und Geist zusammen.

Shen stammt vom reinen Yang des Universums und zeigt sich auf der menschlichen

Ebene als Hun.

Das Su Wen sagt im 15 Kapitel. " Das Geistige besitzen, das ist die Ausstrahlung des Lebens. Das Geistige verlieren, das ist die Vernichtung"

Im Ling Shu, Kap 8 heißt es: "Die Wanderseele ist das Kommen und Gehen des Geistes"

Die Wanderseele Hun entspricht bzw. ähnelt unserem Begriff von Seele und Geist.

Entsprechend dem chinesischen Glauben betritt sie kurz nach der Geburt den Körper. Das Fötus verfügt also hiernach noch nicht über diesen Seelen-Aspekt.

Die Wolke im chinesischen Radikal beschreibt, wie der Bewußtseinsaspekt des HUN zum einen ätherisch, luftig ist, und zum anderen beweglich ist und wandern kann, d.h. sich nach außen und innen sich bewegen kann.

Die Bewegung nach außen nimmt HUN durch die Augen wahr. Die Wandlungsphase Holz, die sich u.a. durch das Yin-Organ Leber ausdrückt, hat als Sinnesorgan die Augen zugeordnet.

Es heißt, die Leber befeuchtet und ernährt die Augen.

Mit den Augen nehmen wir die Dinge der äußeren Welt wahr.

Ebenso hat der Seelen-Aspekt Hun aber auch die Sicht nach innen, die in Verbindung mit unseren "inneren Bildern" stehen.

Durch diese Form der Introspektion haben wir den Zugang zu den Träumen, zu unseren Archetypen und zu den tief liegenden Seelenbildern.

 

 

Hun wohnt im Leber Blut

Nach den klassischen Texten wohnt HUN im Leber-Blut.

Ling Shu, Kap. 8

"Die Leber speichert das Blut, und reguliert es. Die Hun-Seele hängt vom Blut ab."

Im Blut werden hiernach unsere Bewußtseins Erlebnisse abgespeichert. Jeder Kontakt, jede Situation und jede Form der Wahrnehmung findet seinen Weg ins Blut und wird dort gespeichert und verarbeitet.

Eine ähnliche Vorstellung findet man auch im alten Testament der Bibel, wo angenommen wird, daß die Seele ihre Wohnstätte haben soll. Hierauf beziehen sich auch die Zeugen Jehovas, die auch noch heute Bluttransfusionen strikt ablehnen, weil sie glauben, daß die Seele des Menschen im Blut manifestiert und beheimatet ist.

Hat ein Mensch ein Ungleichgewicht bzw. eine Störung in der Wandlungsphase Holz, und ist das Yin-Organ in Leber Disharmonie, z.B. durch lange unterdrückte Wut-Gefühle oder durch andere diverse Ursachen, kann das Leber-Blut betroffen werden und die Ätiologie für eine Störung des Seelenaspektes HUN werden, da z.B. durch fehlendes Leberblut, Hun seine "Verankerung" fehlt.

Hun ist von ätherischer Natur, also in gewisser Form flüchtig, und muß von daher verankert werden, was durch die Anwesenheit von Leber-Blut geschieht.

Die verschiedenen Störungen, die Hun betreffen können, werden später noch eingehend zum Thema gestörte Wandlungsphasen besprochen.

 

Die drei Aspekte der Wanderseele

Es gibt 3 Arten von Wanderseele: eine vegetative, die Pflanzen und Tieren innewohnt, eine animalistische, die in Tieren und Menschen vorkommt, und eine menschliche:

Shen Hun bezeichnet das Lebensprinzip, das Leben werden kann. Man findet diesen Aspekt bei Tieren, Menschen und Pflanzen.

Jiao Hun bedeutet so viel wie Gefühle und Instinkt. Dieses haben Menschen und Tiere gemeinsam.

Ling Hun meint die Kraft, die uns erlaubt kreativ und schöpferisch tätig zu sein und bewußt und planvoll Dinge zu verändern.

Bei Hun handelt es sich um einen Teilaspekt des individuellen Bewußtseins - um ein Teilaspekt des Shen, der im Herzen residiert.

Das Konzept der Wanderseele ist sehr alt und reicht in mythologische Vorzeit zurück. Es hat eine enge Beziehung zum altchinesischen Glauben an Geister und Dämonen.

Hun ist Teil des Bewußtseins, seiner Natur nach Yang.

Man sagt, daß Hun nach dem Tod noch für eine Weile den Körper überlebt, bevor er wieder eins mit dem "himmlischen" Shen wird.

 

Hun und das Nachtleben

Hun, die Wanderseele hat einen engen Bezug zum Schlafen und Träumen.

Hun bringt uns den Schlaf und die Träume. Leben wir im Einklang mit uns und unserer Umwelt, schlafen wir gut und träumen unauffällig oder wie schon als Ideal erwähnt, haben wir wenig bis gar keine Träume.

Besteht eine Disharmonie im Leber-Blut, kann der Mensch schlecht und unruhig schlafen oder es können heftige Träume auftreten, die den Menschen aus dem Schlaf reißen.

Aber auch beim Tagträumen ist die Wanderseele involviert

Liegt ein Mangel an Blut vor, kann die Wanderseele schon am Tag umherirren, was sich in Tagträumen zeigen kann. Diese Menschen sind nicht im Hier und Jetzt und leben ihre Gegenwart, sondern befinden sich in Zwischenwelten, die sich in Tagträumereien und diffuser Gedankenversunkenheit zeigen kann.

 

Hun und das Denken

Die Wanderseele ist der Geist, der rationales Denken ermöglicht. Er erlaubt uns unseren "Kopf" einzusetzen. Jeder Form nüchterner Betrachtung eines Sachverhaltes oder die objektive Auseinandersetzung mit Sachthemen wird durch Hun bewerkstelligt.

Die andere Seite ist Hun für die Intuition und Inspiration zuständig.

Die plötzliche Idee, das plötzliche Gefühl, daß "etwas nicht stimmt", und die Fähigkeit, Visionen zu haben oder zu entwickeln, ist durch Hun erst möglich.

Daß es uns möglich ist, uns selbst zu betrachten, eine innere Schau von uns selbst zu bekommen, jederzeit uns und unsere Absichten und Motive prüfen zu können -

das, womit einige Zeitgenossen den Menschen als "Krönung der Schöpfung"

beschreiben, ist ebenfalls ein Aspekt von Hun. Er erlaubt uns, uns ständig uns Introspektieren , uns sozusagen auszuloten und erkennen zu können.

Diese Fähigkeit ist nach altestamentarisch, christlicher Sicht dem Menschen bei der Vertreibung aus dem Paradies geschehen: Das Erkennen von Gut und Böse.

In dem ersten Buch Moses, Kap. 2:16 heißt es:

"Und Jahwe, Gott gab dem Menschen dieses Gebot: "Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen. Von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen darfst du nicht essen. Denn am Tage, da du davon issest, mußt du sicher sterben."

Vor der Versuchung wußte der Mensch nicht, was Gut, was Böse ist.

Plötzlich, nach Genuß des "Apfels" des "Baumes der Erkenntnis" hatte der Mensch die Sanktion erhalten, womit ihm beim Überschreiten des Eßverbotes von Gott gedroht wurde.

Nun wissen wir, daß Gott den Menschen nicht hat sterben lassen - vielleicht weil er schon ahnte, daß der Mensch dieses Gebot sicher brechen wird - oder weil Gott sogar gewollt hat, daß der Mensch durch diesen Vorgang ihm erst so richtig ähnlich wird.

Su Wen , kap 9 "Die Leber hat eine regulierende Funktion, sie behaust die Wanderseele, ist das Leber Blut schwach, kommt es zu Angst und Unruhe.

Bei einer Fülle des Leber-Yang entsteht Zorn."

 

 

 

Shen in der Lunge

Die "Körperseele" PO

 

Po repräsentiert den Yin-Aspekt des Shen.

Während Hun von nichtmaterieller, geistiger Natur ist, also Yang, stellt der Yin-Anteil von Shen die Körperseele Po.

Po ist in der Lunge beheimatet und ist der leibliche Aspekt von Shen.

Aus diesem Grund wird Po auch als die Körperseele bezeichnet.

Po ist fest mit unserem Körper verbunden, bis er nach dem Tod in den Boden versinkt.

Die Körperseele hat einen engen Bezug zur Essenz der Nieren.

In Zang Jie Bins, ein berühmter Heilkundiger aus der Ming-Zeit (1368-1644 n.Chr.) sagt im "Klassiker der Kategorien":

"Ist die Essenz erschöpft, so geht es mit der Körperseele bergab, das Qi wird zerstreut, die Körperseele treibt ohne Behausung umher."

Po ist pränatal der erste Seelenanteil, der noch, bevor der Mensch mit Hun beseelt wird, im Embryo das Menschwerden stattfinden läßt. Hier wirkt Po mit dem Jing der Niere um aus der winzigen Materie einen Menschen heranreifen zu lassen.

Zang Jie Bin:

"Zu Beginn des Lebens beginnen Ohren, Augen und Herz wahrzunehmen, die Hände und Füße bewegen sich und die Atmung beginnt.

All diese Funktionen geschehen durch die Präsenz der Po-Seele."

Dieses verdeutlicht, welche enge Beziehung zwischen Körper und der Po-Seele zeitlebens bestehen.

Po und der Instinkt

Po repräsentiert den Bereich der physischen, emotionalen und instinktiven Kräfte im Menschen, die eine enge Beziehung mit dem Körper haben.

Diese Kräfte entsprechen eher der animalischen Ebene, da man mit Po instinktiv und eher reflexhaft reagiert, ohne darüber nachzudenken.

Unsere Fähigkeit, Sinnesreize aus der Umwelt mit unseren Sinnesorganen wahr zu nehmen, ermöglicht Hun. Jeder Sinnesreiz erfordert eine komplexe neuronale und muskuläre Reaktion, so daß wir uns in den jeweiligen Umständen und Situationen zurechtfinden können. Dieses ist durch die Wirksamkeit von Hun erst möglich.

 

Po und Zang-Fu

Die Wandlungsphase Metall hat als Yin und Yang-Organe die Lunge und den Dickdarm zugeordnet. Die Haut indes ist mit der Lunge assoziiert. Unseren ersten Hautkontakt während der Geburt, die sinnliche Erfahrung, gestreichelt und liebkost zu werden, die Taktilität eines Individuums, jeder Schmerz oder Juckreiz auf der Haut ist das Erleben der Po-Seele.

Zang Jie Bin: "Die Körper-Seele kann sich bewegen und Dinge verrichten; sie kann Schmerz und Jucken fühlen."

Verschiedene Hautkrankheiten sind in einer Störung und Disharmonie der Lungen-Energie zu erklären und dementsprechend auch zu behandeln.

In der Praxis sind z.B. Haut-Effloreszenzen mit Lungen-und Dickdarm-Punkten wie z.B. die Punkt Dickdarm 11, Lunge 9 oder Lunge 7 probate Mittel, um dem Menschen von dem Brennen der Haut oder dem Juckreiz zu befreien.

 

 

Po befähigt zur Kinästhetik

Die Fähigkeit der Kinästhetik, sich zu bewegen, Gleichgewicht zu halten,

den Körper in seiner Bewegung koordinieren zu können, ist ein Ausdruck der Körperseele-Po.

Besonders Kinder, die gesund und natürlich aufgewachsen sind, verfügen mit Leichtigkeit über diese Aspekte der Körperlichkeit und sind in der Lage, auch schwierige akrobatische Leistungen teils spielend zu erlernen.

Po und die Atmung

Die Körperseele hat durch ihre Beziehung zur Lunge viel mit der Atmung zu tun.

Man kann das Atmen auch als das Pulsieren der Körperseele verstehen.

Der Meditierende nutzt diesen ewig wiederkehrenden Rhythmus des Atmens, um sich zu beruhigen und zu seiner "Mitte" zu bringen. Der Geist wird ruhig und man kann sich den "inneren" bzw. "höheren Welten" nähern, die abseits der Emotionen und psychischen sowie körperlichen Leidenschaften zu finden sind.

Die sieben Po-Seelen-Aspekte

Wie es drei Hun-Seelen gibt, so existieren auch nach alter chinesischer Überlieferung sieben Körperseelen, die in einer engen Beziehung zu den "sieben Leidenschaften" (Ärger, Freude, Furcht, Kummer, Haß, Liebe und Begehren) stehen.

Diese sieben Leidenschaften stehen wiederum in einem nahen Verhältnis zu den fünf Emotionen der fünf Wandlungsphasen.

Die Emotionen der fünf Wandlungsphasen, die ich später noch eingehender beschreiben werde, zählen zu den "inneren" Krankheitsfaktoren in der TCM.

Gefühle sind erst einmal nicht partout krankheitsverursachend, sondern gehören zum Leben eines Individuums dazu.

Sie sind zunächst unbewußte, nicht steuerbare Regungen auf bestimmte Ereignisse und Wahrnehmungen.

Gefühle und Instinkte sichern uns das Überleben: Sind wir in Gefahr, so bekommen wir Angst, dieses wiederum löst eine Kaskade diverser Reaktionsmuster in uns aus, die uns entweder zu "fight oder flight" anregen können.

Sind wir bedroht, kommt uns jemand zu nahe, entwickeln wir Wut und gehen, sofern es der Eindringling bzw. unsere Angst zuläßt, zum Angriff über.

Instinkte und Gefühle sind am stärksten von allen Seelen-Aspekten von Shen mit körperlichen Reaktionsweisen verknüpft.

Aus der Psychosomatik wissen wir, wie sich Disharmonien und Störungen auf der emotionalen Ebene als körperlichen Symptome zeigen und auswirken können.

 

Po stirbt mit dem Physischen Tod

Po stirbt mit dem Körper und verläßt denselben über den "Po Men", über den Anus. Wenn die Zeit des Todes gekommen ist, lösen sich die Anteile Hun und Po voneinander. Yin und Yang trennen sich, da sie ihre gemeinsame Existens verloren haben. Der Geist-seelische Anteil des Hun steigt, kraft seiner Bestimmung, nach oben, und verläßt den Menschen über den "Bai Hui", Du Mai 20, ein Punkt am höchsten Punkt des Schädels, um wieder zum "Himmel" zu fahren.

Po nimmt genau entgegengesetzt den Weg über den Anus, dem Po Men....

Po nimmt, wie es auch bei hiesigen Beerdigungen als Ritual beschrieben wird: "Erde zu Erde ,Asche zu Asche,", den Weg der Auflösung. Po zerfällt wieder zur Erde.

 

 

Shen in der Milz

Die Denkseele Yi

 

Yi wird mit Denken übersetzt und hat einen Bezug zur Milz.

Die Milz ist dafür zuständig, die Aufnahme und die Transformation der Nahrung

zu gewährleisten.

Unsere Nahrung wird von außen zugeführt und die aufgenommenen Stoffe müssen gespalten und analysiert werden, bevor sie weiter verwertet werden können.

Yi regelt gedankliche "Verstoffwechselung"

Dieses bezieht sich aber nicht nur auf der stofflichen Verdauungsebene.

Was für den materiellen Stoffaustausch im menschlichen Organismus gilt, ist nach der TCM bzw. nach altchinesischer Sicht auch auf den mentalen und intellektuellen Bereich zu beziehen.

Unsere täglichen Eindrücke, unsere Gedanken und die Informationen und alles Kognitive, was wir täglich durch unseren Verstand und durch unsere Sinneseindrücke erleben, wollen ebenfalls "verdaut" und weiterverarbeitet werden.

Diese "Inputs" müssen gleichsam in verdauungsfähige Einzelteile zerlegt und aufgeschlossen werden.

Was für uns verwert- und brauchbar ist, wird uns zur "Ernährung" dienen,

das Unbrauchbare wird ausgeschieden, oder oft auch ein Leben lang als Altlast mit sich herumgeschleppt.

Yi und das Denken

Die Aspekte Studieren, Konzentration, Aufmerksamkeit werden durch den Seelenaspekt Yi erst möglich.

Wenn unsere Milz-Leistung gut ist, so ist unser Denken klar, unsere Gedächtnisleistung ist gut ausgebildet, und wir können uns konzentrieren.

Bei schwacher Milz-Energie fällt das Denken schwer, die Gedanken schweifen ab,

man kann sich nicht konzentrieren und auch die Aufmerksamkeit wird gering sein.

Die Fähigkeit zur Konzentration wird, wie vorher schon geschildert, u.a. auch durch die Nieren-und Herz-Energie bestimmt. Die Milz ist konkret für das Erlernen von Daten zuständig, die Niere hat eher den Aspekt, sich an etwas Vergangenes zu erinnern. Im Ling Shu heißt es:

" Die Herzfunktion des Erinnerns wird als Intellekt bezeichnet"

 

 

Shen in der Niere

Zhi (Das Wollen)

Zhi hat zwei Bedeutungen:

Einmal steht es für "Gedächtnis", zum anderen steht es für Willenskraft.

Mit der Fähigkeit "Gedächtnis" wird jenes umschrieben, was unsere Kapazität ausmacht, uns an Geschehnisse aus längst vergangenen Tagen zu erinnern, also unser Langzeitgedächtnis.

Mit der Kraft zum Wollen ist all jenes gemeint, welches mich als Willensmenschen

ausmacht.

Die Willlenskraft erstreckt sich auf alle Wesensbereiche: auf körperliche, mentale, psychische und spiritueller Ebene.

Zhi bestimmt das aktive Wollen

Aus unseren flüchtigen Gedanken oder Bewußtseinsimpulsen entsteht plötzlich

die innere Bewegung, die sich gedanklich oder auf der Handlungsebene zielstrebig auf etwas zu bewegt, und etwas erreichen und umsetzen zu möchte. Es bekommt dann - je nach dem, worum es sich handelt - eine Dynamik, die von leicht interessierten bis zu leidenschaftlichen Umsetzen des zu Wollenden reichen kann.

Der Wille ist immer an einem gewünschten Ergebnis orientiert.

Im Ling shu, Kap. 8 heißt es hier zu: "Wenn Absichten (Yi) verweilen, nennt man das Wille (Zhi)"

Der Aspekt des Willens hilft uns, uns im Leben zurecht zu finden.

Durch ihn können wir gestalten, uns all das Schöne und Nützliche dieser Welt zu eigen machen. Durch ihn ist es uns möglich, Ziele auszurichten und zu verfolgen.

Unsere Intensionen, Pläne und Wünsche können dadurch im Rahmen unserer Möglichkeiten Wirklichkeit werden.

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Natürlich ist er oft mit den eigenen Interessen verknüpft und dient so dem ich-bezogenen Bewußtsein, dem, was die Psychologie als "Ego" bezeichnet.

Beim Wollen einer Person steht das "Ego" immer im Vordergrund. Schon die Mutter "verzweifelt" an dem heftigen und ausdrucksvollen Wollen ihres Sprößlings, wenn dieser seinen Willen aktiv durchsetzen möchte.

Hier besteht eine große Aufgabe in der Erziehung des kleinen Menschen, nämlich die Kunst, dem Kind auf der einen Seite eine gesunde Beziehung zwischen

seinen Wünschen und den Durchsetzungsmöglichkeiten entwickeln zu lassen,

aber auch das "Ego", das ein Kind von Geburt an mitbringt, nicht ins unendliche Wachsen zu lassen. Die Willenskraft muß proportional mit dem Geist wachsen und dort angebunden werden.

Geschieht dieses nicht, gerät der Zhi-Aspekt aus den Fugen und es werden Menschen, die durch ihre unbegrenzte "Egomanie", sich selbst und auch anderen durch ihre Rücksichtslosigkeit Schaden zu fügen (zu heftiges Yang im Zhi), oder

anderseits darf sich aufgrund rigider Erziehung der Wille des Kindes nicht entwickeln, wird unterdrückt oder sogar latent "Gebrochen", was verheerende Folgen für die Entwicklung des Menschen hat und heftige psychische Störungen nach sich ziehen wird.

Ein guter Akupunkturpunkt, der den Willen unterstützt ist der 52 Punkt auf der Blasen-Leitbahn: "Zhishi"," Raum der Willenskraft". Dieser Punkt gehört zu den Shu Punkten, die sich alle paravertebral auf dem Rücken befinden, und kann Menschen helfen ihren Willen zu stärken. Ich benutze ihn u.a. auch in der Raucherentwöhnung, um den Willen des Patienten zu unterstützen.

Die Niere, die zur Wandlungsphase Wasser gehört, ist das Organ, das für dieses Seelen-Aspekt verantwortlich und zuständig ist.

Die Nierenenergie bestimmt von daher auch, wie dieser emotional-geistige Aspekt im Menschen vertreten ist. Ist die Nierenenergie stark, hat der Mensch einen starken Willen; dieser Mensch hat eine ausgeprägte Entschlossenheit und Beharrlichkeit und kann mit seinem Willen große Dinge bewirken.

Im Gegenteil hat der Mensch mit einer schwachen Nierenenergie eine geringes Durchhaltevermögen und wenig Kraft, Dinge aktiv durchzuhalten zu können.

Dieser Mensch ist in gewisser Weise mutlos und kann seine Ziele nicht genügend verfolgen.

 

 

 

Was sind Emotionen

"Emotionen sind mentale Stimuli, die unser Affektleben beeinflussen"

Giovanni Maciocia.(10)

"Das Gefühl als der einheitliche Urgrund aller differenzierten Erlebnisse nimmt im Säuglingsalter eine zentrale Stellung ein.

Alles Erleben ist noch gefühlsmäßig, das Kind ist ganz Affektwesen...

Die Differenzierung schreitet nach dem Zuwendungsalter noch weiter.

Erschöpfen sich beim Neugeborenen in den leiblichen und sinnlichen Gefühlen, so bilden sich nun bestimmte "seelische" Gefühle heraus:

Freude, Angst, Erwartung, Überraschung, Ärger Ungeduld........."

Heinz Remplein (11)

Die Gefühle, die beim kleinen Kind noch eher affekthaft erlebt werden, differenzieren sich in der späteren Entwicklung des Menschen. Hier können Gefühle nach ihrem Erleben und Auftreten, nach ihrer Intensität und Bestimmung differenzierter wahrgenommen und ausgedrückt werden.

Gefühle sind wandelbar und bestimmen unser Leben und Erleben dadurch, daß sie einem ständigen Wandel unterworfen sind. Von "himmelhoch jauchzend" bis "zu Tode betrübt" kann besonders bei Pubertierenden das Gefühlserleben von einer Stunde auf die andere wechselhaft sein.

Ständig signalisieren Gefühle den Zustand unseres Erlebens. Bei Verlust werden wir traurig, bei Problemen sorgen wir uns, die Begegnung mit uns weniger lieben Zeitgenossen, löst in uns Ärger und Wut aus.

Die Gefühle sind als Warn- und Informationssystem zu verstehen, die uns das (Über-) Leben überhaupt ermöglichen.

Im Unterschied zum Tier, das Gefühle primär reflexhaft erlebt und nach der Beseitigung der Ursache von z.B. Angst seinen "Buckel" wieder herunterfährt,

die Krallen wieder zurückzieht etc., bleiben Emotionen beim Menschen oft länger bestehen und, wie wir später noch sehen werden, können sich Gefühle

"verselbsständigen" und mit dem eigentlichen Ereignis nicht mehr in Beziehung stehen. K. D. Platsch bemerkt dazu: "Was uns Menschen so grundlegend und in wunderbarer Weise vom Tier unterscheidet -nämlich das Verstandesbewußtsein - wird hier zur Falle"(12)

Unsere Gefühle, die grundlegend wichtig sind und das Leben überhaupt erst ermöglichen, können durch emotionale Traumatisierungen verdrängt und ins Unterbewußte abgelegt werden.

"Schwarze Pädagogik", wie sie die Psychonalytikerin Alice Miller in ihren Büchern (13) beschreibt, stellt die erhebliche Ursache für derartige emotionale Traumatisierungen dar.

Wie wir nun spätestens seit der Psychoanalyse wissen, wirken diese Gefühle unbewußt von dort aus ein Leben lang, und können dem entsprechend ständig unbewußt in das Leben eines Menschen hineinwirken, es sein denn, man versucht durch Therapie und Bewußtwerdung diesen gestauten Emotionen auf den Grund zu gehen. Getreu dem Motto: "So lange Du nicht weißt, was Du tust, kannst auch nicht tun, was Du willst"(14)

Die aufgestauten und unerledigten Gefühle sind dann oft die Ursache für das, was man seit einigen Jahrzehnten nach westlichem Denken als "Psychosomatik" erkannt hat. Die Emotionen wirken auf den Körper ein und sind Auslöser für manigfaltige körperliche Erscheinungen.

Die Chinesen haben schon vor mehr als zweitausend Jahren von diesen Wechselwirkungen zwischen Körper und Seele gewußt und sie in den Gefühlen der Wandlungsphasen und in den Sieben Emotionen beschrieben.

Emotionen können nur dann zur Krankheitsursache werden, wenn sie im Übermaß oder über lange Zeit vorhanden sind, oder wenn beide Faktoren zutreffen.

Nach Chinesicher Sicht sind Emotionen, wenn sie pathologisch werden, in der Lage, die einzelnen Seelenanteile (Hun, Po), sowie auch Organe, Qi und Blut zu verändern und zu schädigen

Zum anderen kann aber auch von einem vorgeschädigten Organ eine pathologische Wirkung auf den geistig-seelischen Aspekt ausgehen. Also nicht nur von "Psyche" auf das "Soma", sondern auch der umgekehrte Weg ist möglich, was einen ganz neuen Aspekt in der Beurteilung und Bewertung von Krankheiten darstellt.

Ist z.B. nach chinesischer Sicht die Milz durch diätetische Schädigung (Viel kalte und rohe, oder zu heiße und fettige Nahrung) nicht in der Lage, ihrer Funktion nachzukommen, kann das auf der emotionalen Ebene eine Störung des Seelenaspektes Yi bedeuten, was bei diesem Menschen zu latenten Sorgen und Grübeln führen kann.

Durch körperliche Erschöpfung und Raubbau kann das Blut geschädigt werden.

Im Blut wohnt im Herzen der Geist (Shen). Wird dieser seiner Grundlage beraubt,

können sich daraus diverse ,später noch beschriebene, emotionale Entgleisungen ergeben.

Im Ling Shu Kap 8 steht:

"Die Angst, Unruhe und das Grübeln des Herzens verletzen den Geist... die Sorge der Milz schadet dem Intellekt , die Traurigkeit der Leber und Schocks verletzen die Wanderseele... übermäßige Freude der Lunge schädigt die Körperseele... der Zorn der Niere verletzt die Willenskraft..."

Anderseits lesen wir dort auch:

" Wenn das Leber Blut schwach ist, tritt Zorn auf, ist es in Fülle, so kommt Zorn auf... Bei einer Schwäche des Herz-Qi finden wir Traurigkeit, bei einer Fülle manisches Verhalten.."

Hier wird eindeutig beschrieben, wie emotionaler Streß die Organe schädigen kann, aber auch die Schädigung der Organe eine Störung der seelischen Anteile bewirken und nach sich ziehen können.

Durch diesen Umstand, daß nicht funktionstüchtige Organe emotionale Dysharmonien auslösen können, bekommt die einseitige Sicht der "Psychosomatik" eine neue Dimension hinzugefügt..

Der "ganzheitliche" Mediziner ist es gewohnt, schnell den Begriff der Psychsomatik auf Patienten anzuwenden, und die Ursache einer Erkrankung im Seelenleben einer Person zu suchen, und oft auch zu finden.

Autoren wie Rüdiger Dahlke, Thorwald Dethlefsen (15)vermitteln in ihren Büchern die Auffassung, daß Krankheiten immer in der Seele entstehen, und sich dann auf der somatischen Ebene äußern. So sehr ich die Gedanken und ihre Arbeit als Befruchtung in der Sichtweise der Psychosomatik schätze, bin ich auch überzeugt, daß sie mit ihrer einseitigen Schau der Dinge, Menschen "psychosomatisiert" und teils "neurotisiert" haben, und damit nicht unbedingt zur Gesundung der Menschen beigetragen haben.

Mit teils suggestiven Methoden wird dem Patienten vermittelt, wie sehr die Ursache seiner Beschwerden in seiner Psyche zu suchen sind, und daß es an ihm liegt, er letztlich die "Schuld" an seinem Übel hat. Das mag ja oft der Fall sein, daß pervertierte Emotionen die Ätiologie für die Symptomatik ist, aber generell angewendet, wird man diesem Menschen nicht gerecht, wenn man dort ausschließlich die Ursache zu finden glaubt.

Diesen Menschen geht es nun schon schlecht, und anstatt sich ihnen und ihren Leiden vorurteilsfrei zu widmen und zu nehmen, bürdet man ihnen auf, sich auf die Suche nach der Ursache ihrer Erkrankung, die ja durch ihre "Schuld" und "Versagen" entstanden ist, zu stellen.

Im Chinesischen Denken gibt es keine Einbahnstraße, alles ist Dynamik und ständiger Wechsel.

Die Wirkung jeder Emotion auf ein bestimmtes Organ sollte nicht zu eng interpretiert werden. Es gibt Textstellen aus den Nei Jing, die den Effekt der Emotionen auf andere als die erwähnten Organe beschreiben.

Ling Shu Kap. 28. " Sorge und Grübeln beunruhigen das Herz"

und:

Su Wen Kap 8 " Traurigkeit beunruhigt das Herz"

Die Wirkung einer Emotion hängt auch von anderen Umständen ab, ebenso davon, ob man sie äußern kann oder ob sie unterdrückt wird.

Des weiteren treffen alle Emotionen neben den entsprechenden Organen auch direkt das Herz, weil es den Geist (Shen)beherbergt.

Das Herz alleine kann die Wirkung emotionaler Spannungen erkennen und fühlen, weil es für Bewußtsein und Wahrnehmung verantwortlich ist.

Die Chinesischen Zeichen für die Emotionen der fünf Wandlungsphasen (Wut, Freude, Sorge, Trauer und die Angst) beinhaltet immer als Anteil das Chinesische Radikal für Herz, was die Relation des Herzen zu den Gefühlen sehr deutlich darstellt.

Wie wirken sich nun die Emotionen auf den Geist und Seele aus?

Das Nei Jing sagt, Emotionen haben einen bestimmten Effekt auf die Qi-Zirkulation:

" Zorn läßt das Qi aufsteigen, Freude verlangsamt seinen Fluß, Traurigkeit löst das Qi auf, Angst läßt das Qi absteigen.. Schock zerstreut das Qi.. Grübeln bindet das Qi" Kap. 39 Su Wen.

Nach dem hier beschriebenen handelt es sich um fünf emotionale Qualitäten, die den jeweiligen Wandlungsphasen zugeordnet werden, und im weiteren zur Veränderung der Qi-Zirkulation beitragen können.

Aus Sicht der fünf Wandlungsphasen erwähnt der Gelbe Kaiser, Huangdi, der im Nei Jing(16) (Ca. 200 v. Chr.) in Dialogform mit seinen Leibärzten fünf Emotionen, die jeweils einem der Yin-Organe (= Niere, Leber, Herz, Milz und Lunge) zuordnet werden.

Hieraus ergibt sich:

Zorn wirkt auf sie Leber

Freude wirkt auf das Herz,

Grübeln wirkt auf die Milz

Sorge wirkt auf die Lunge

Angst wirkt auf die Niere

Weiter wird im 39 Kapitel gesagt:

"Bei Zorn läuft das Qi gegenläufig. Ist es stark, kommt es zu Bluterbrechen oder Durchfall mit Unverdautem. So steigt das Qi auf.

Bei Freude fließt das Qi angepaßt und harmonisch, und der Wille breitet sich überall gut aus. Nahrungs- und Abwehrkräfte fließen frei und funktionieren gut. So löst sich das Qi auf.

Bei Trauer verengt sich das Herzsystem, die Lunge weitet sich und ihre Flügel steigen auf, der obere Erwärmer kommuniziert nicht mehr. Nahrungs- und Abwehr-Qi werden nicht mehr verteilt, das warme Qi sammelt sich in der Brust. So verschwindet das Qi.

Bei Angst ziehen sich die Essenzen zurück. Dadurch schließt sich der obere Erwärmer und das Qi schwindet; mit dem Schließen des oberen Erwärmers schwillt der untere Erwärmer. So zirkuliert das Qi nicht.

Bei Kälte schließen sich die Poren und das Qi zirkuliert nicht. So akkumuliert das Qi. Bei Hitze öffnen sich die Poren. Nahrungs- und Abwehr-Qi fließen frei und Schweiß läuft in großer Menge. So fließt das Qi aus.

Bei Schreck hat das Herz keinen Ort mehr, auf dem es sich verlassen kann.

Der Geist hat keinen Platz mehr, auf den er sich beziehen kann, das Denken keinen Ort mehr, an dem es sich niederlassen kann. So wird das Qi chaotisch. Bei Sorgen hat das Herz einen Platz zum Wohnen und der Geist nur einen Ort, auf dem er sich beziehen kann. Das korrekte Qi bleibt auf der Stelle und zirkuliert nicht mehr. So verknotet sich das Qi."

 

 

Wie schon vorher erwähnt, ist die Beschreibung von emotionalen Vorgängen im altchinesischen Denken nie konkret weiter von den Klassikern und auch dem später folgenden Werken berücksichtigt und verfolgt worden, was sich u.a. daraus erklären mag, daß den Gefühlen des einzelnen nicht so viel Raum eingeräumt worden ist und ein individualpsychologisches Denken, wie es im christlichen Abendland entwickelte wurde, im konfuzianischen Denken von Gruppe, Sippe, Staat nicht stattfinden konnte, weil dem Einzelnen, als Individuum keinen großen Wert beigemessen wurde.

Hauptsächlich blieb es nur bei den "Emotionalitäten" der fünf-Zang-Organe.

Und auch hier wurden die Gefühle nur dann als psychischen Zustand wahrgenommen, wenn sie in einem Zusammenhang mit einer physischen Erkrankungen des Patienten stattfanden.

Wenn auch diese beschriebenen Gefühle, Zorn, Traurigkeit........ sehr zentrale Gefühle im Menschen darstellen, so darf nicht davon ausgegangen werden, daß das Gefühlserleben und die Gefühlswelt eines Menschen vollständig mit diesen beschriebenen fünf Emotionen erklärt werden könnte.

Es sind eher eine Mischungen aus den Gefühlen der Wandlungsphase als Möglich. Aber auch hier ist es vielleicht notwendig, nicht zuviel hinein zu interpretieren, sondern mit dem Gegebenen zu arbeiten und die Ergänzung in der Synthese von östlichen und westlichen Denken zu suchen.

 

 

Die Emotionen der fünf Wandlungsphasen

 

Zorn (Nu)

Das Chinesische Zeichen für Wut besteht unten aus dem Herz-Radikal.

Rechts steht das Zeichen für Hand und links das Zeichen für Frau.

Werden beide oberen Zeichen zusammengenommen, bedeutet das Sklave oder Sklavin.

Wut ist eine sehr wichtige Emotion, die uns das Überleben ermöglicht und letztlich nur im Übermaß zur Schädigung führen kann.

Wut ist eine wichtige und nötige Reaktion auf verschiedene Reize, die täglich von außen auf uns eindringen. Wut ermöglicht es uns, uns abzugrenzen uns zu individualisieren. Mit Wut reagieren wir, wenn jemand/etwas uns zu nahe kommt und unseren Lebensraum und bedroht

Die Wut bringt uns in Bewegung, löst uns aus der Stagnation. Wie befreiend kann es sein, nach längerem unterdrückten Ärger, endlich durch Herauslassen der (Wut-) Gefühle, sich "Luft" zu machen. Diese Gefühlsentladung ist wie ein Ventil und löst als Reaktion das gestaute Qi und das Leber-Blut kann wieder fließen.

Wenn man ständig denken und grübeln muß, mit seinen Gedanken fixiert ist, kann die Wut diesen Zustand verändern. Im Su Wen heißt es in Kap. 5:

"Die Wut siegt über sorgenvolle Gedanken."

Über den Kè-Zyklus(Kontroll-Zyklus)der fünf Wandlungsphase, der mit seiner Energie die jeweils übernächste Wandlungsphase kontrolliert, haben wir hier eine

Möglichkeit, das ständige Nachdenken und nicht loslassende Grübeln durch Wut zu beeinflussen. Wut löst mit ihrer explosiven Kraft das Gedankenknäuel auf und bringt neue Energie, neue Sichtweisen und Aspekte.

Auf dem Kontroll-Zyklus (Metall kontrolliert das Holz) kann die Wut durch die Trauer überwunden werden. Im Su Wen Kap. 5 wird gesagt:

"Trauer herrscht über die Wut"

und im Ling-shu, Kap 8:

"Wenn die Leber von Trauer und Gram geplagt wird, wird man im Zentrum erschüttert, Hun wird verletzt, man verliert den Verstand und wird vergeßlich; es gibt keine Lebendigkeit."

Kann der Wütende weinen, lösen sich für eine Weile die Wutgefühle und es kommt zu einer emotionalen Reinigung. So kann die Wut besänftigt werden.

Der Begriff Nu steht für eine Vielzahl von entsprechenden Emotionen wie:

Frustration, Groll, Wut , Empörung, Enttäuschung, Verbitterung....

Su wen, Kap. 39:

"Zorn läßt das Qi aufsteigen und verursacht Bluterbrechen sowie Diarrhoe"

Jede der oben genannten gefühlsmäßigen Zustände kann die Leber in ihrer Funktion beeinträchtigen.

Wer Wut hat, schreit, ist laut, aggressiv, der Kopf ist rot, ist erregt, gestikuliert,

gerät außer Kontrolle. Dieser Zustand schädigt die Leber und kann sich auf der pathologischen Ebene weiter u.a. als Migräne, Menstruationsprobleme, Abdominelle Schmerzen, Tinitus, Schwindelgefühle, Nackensteife, rote Flecken inder Halsregion, Augenprobleme, Verdauungsprobleme und einer roten Zunge mit roten Rändern zeigen.

 

 

Su Wen Kap. 5:

"Wut schadet der Leber...."

Die Wirkung von Zorn auf die Leber hängt einerseits von der Reaktion des Menschen auf den emotionalen Stimulus und andererseits von anderen Begleitfaktoren ab.

Die Aufgabe der Leber ist es, für einen geschmeidigen Blut- und Qi-Fluß zu sorgen. Staut sich der Zorn, so führt er zur Stagnation des Leber-Qi, wird er herausgelassen, so verursacht er aufsteigendes Leber-Yang oder Entflammen des Leber-Feuers, was sich als starker Wutausbruch äußern kann.

Bei der Frau kann eine Stagnation des Leber-Qi leicht zu einem Stau des Leber-Blutes führen, was sich in verschiedenen Menstruationsproblemen zeigen kann.

Wird die Wut über längere Zeit unterdrückt, ohne das sie einen Ausdruck findet, kann sich dieses auf der psychischen Ebene als Depression manifestieren.

Einige Menschen tragen jahrelang unerledigten Zorn mit sich herum, ohne daß er von der Person gezeigt wird. Diese Person kann als zurückhaltend und eher unauffällig gelten, kann eine zurückhaltende bis leise Stimme haben.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, kann dieser Zustand Ausdruck einer aufgestauten Wut sein.

Auch können über den Zorn andere Organe betroffen werden, was aus den fünf Wandlungsphasen über den Kè-Zyklus oft die Verdauungsorgane betrifft.

Die übermächtige Kontrolle von der Wandlungsphase Holz zur Wandlungsphase Erde. Es kann zu allen möglichen Verdauunsproblemen kommen, die ihre Ursache in einer Leber-Qi-Depression hat.

Sich während oder nach dem Essens zu ärgern, hat einen ähnlichen Effekt auf den Magen. Der Ärger betrifft zuerst die Leber und führt dann zu Magenproblemen.

Die Wut attackiert hier das Magen-Qi, welches dann seine natürliche Qi-Bewegungsrichtung nicht mehr nach unten bringen kann, sondern nach oben schickt und es kann dann u.a. zum Erbrechen oder zum Reflux kommen.

Viele Patienten, die viel Ärger in Beruf, Beziehung und sonstiges erleben, haben oft alle möglichen Verdauungsbeschwerden, die von der Ätiologie gestauten und unterdrückten Wut- oder Aggressionsgefühle herrühren.

Nun kann, wie schon erwähnt, die Wut das Leber-Yang zum Steigen bringen. Auf diesem Wege kann es das Herz in Mitleidenschaft bringen, was zu Symptomen wie hitziges Gesicht, rote Augen, aufgeregtes Reden, Schweißausbruch, Palpitationen oder Tachykardie führen kann.

 

 

 

Die Wut kann aber auch die Nieren betreffen.

Im Ling-Shu, Kap. 8 wird gesagt:

"Wenn die Nieren von Wut, die ohne Ende schwillt, geplagt werden, wird der Wille (zhi) angegriffen, man kann sich an nichts mehr erinnern, was man gerade gesagt hat, die Lenden und die Wirbelsäule könne sich weder nach vorne noch nach hinten lehnen, weder beugen, noch strecken. Das Körperhaar wir spröde und man hat alle Zeichen des vorzeitigen Todes. Man stirbt im Spätsommer"

Lang anhaltende und starke Wut schädigt die Nieren.

Sind die Nieren angegriffen, können sie ihrer Funktion nicht gerecht werden, was dann zu Rückenproblemen, Gedächtnisschwiergkeiten (Jing-Verlust) führen kann.

Die Pathologie der Emotion Wut

Die Facetten der Dysharmonien durch die Emotion Wut kann sich auf spezifischer Ebene auswirken, und man kann anhand der Symptomatiken verschiedene Muster

der Dysharmonie erkennen:

Leber-Qi-Stau-Dysharmonie

Hier ist der Mensch ist in seiner Emotionalität blockiert. Das freie Fließen von Gefühlen ist nicht möglich. Anstatt sich von seinen Gefühlen leiten zu lassen,

werden die eigenen Gefühle kontrolliert und nicht, oder nur unzureichend, nach außen gelassen.

Dieser Mensch hat ein schlechtes Verhältnis zu seinem Gefühlserleben. Gefühle sind unangenehm und bedrohlich. Aus diesem Grunde werden die Gefühle kontrolliert und teils nur sozial angepaßt nach außen gezeigt.

Diese Menschen leiden teilweise unter einer immensen Wut, die sie aber nicht loswerden können. Die Wandlungsphase Holz, der auf organischer Ebene die Leber und die Gallenblase zugeordnet wird, repräsentiert im Reigen der fünf Wandlungsphasen die Kindheits- und Wachstumsphase im Menschen.

Durch repressive und rigide Erziehung ("schwarze Pädagogik") wird dem Kind sein eigener "Spielraum" nicht gegeben, die eigenen Gefühle des Kindes werden nicht gewürdigt und respektiert. Dem kleinen Menschen wird subtil bis offen mitgeteilt, daß er so, wie er ist, nicht ausreicht, daß er nicht "ok" ist. Diese gefühlsmäßige Verunsicherung ist der Grundstock für den Leber-Qi-Stau-Persönlichkeit. Die eigenen Gefühle sind "schlecht" und dürfen nicht gelebt werden.

Aus dem ständig bevormundet und unterdrückt werden, aber sich dennoch in dem Gefühl der Abhängigkeit zu befinden, entwickeln sie eine starke innere Abwehr und Wut, die sie aber aufgrund ihrer Machtlosigkeit nicht ausleben können, was die Wut nach innen treibt und sich dort aufstaut und sich u.a. dann auch in Folge in Autoaggressionen zeigen und auswirken kann.

Diese nicht gelebte Energie richtet sich nach innen und kann je nach Schweregrad dem Menschen ein normales Gefühlserleben erschweren und ihm das Zugehen auf andere Menschen verhindern.

Dieses Muster, das in der Kindheit angelegt wird, kann den Menschen für den Rest seines Lebens prägend beeinflussen. Diese Patienten sind gereizt, stehen unter Druck und entwickeln oft durch Nebensächlichkeiten des Alltags Wut gegen andere oder sich selbst. Sie sind randvoll gefüllt mit ihren unerledigten Gefühlen, und jede neue Belastung läßt das "Faß" überlaufen, was sich dann auch in unverhältnismäßigen Wutausbrüchen auswirken kann.

In ihnen kommt eine Menge Zorn und Gewalt zum Ausdruck, und oft zeichnen sie sich durch ein Gefühl der Ohnmacht aus.

Durch die latenten Verunsicherungen konnten die eigenen Wertigkeiten sich nicht entwickeln, was sich bei diesem Menschen als Haltlosigkeit und in gewisser Weise auch als Orientierungslosigkeit zeigen kann. Dieser Menschen sind abhängig von den Wertungen anderer und sind von daher auch in Gefahr, sich von anderen fremdbestimmen zu lassen.

Dieser Mensch hat eine Schwäche in der Leber.

Wie vorher schon erwähnt, ist die Leber dafür zuständig, den Qi-Fluß und Blutfluß zu gewährleisten.

 

 

Therapievorschläge (allgemein)

Die Therapie von Patienten mit psychischen Problemen ist hoch komplex, so komplex wie die Person selbst, die das Problem hat, und muß ganz individuell dem Einzelnen angepaßt und ausgerichtet werden. Aus chinesischer und auch aus hiesiger psychologischer Sicht sind die Ursachen für seelische Erkrankungen individuell, einzigartig und sehr verschieden.

Bevor überhaupt "therapiert" werden kann, muß sich sehr eingehend mit der Person beschäftigt werden, muß eine gezielte Anamnese erfolgen, und bevor es zur Therapie kommt, sollte der Therapeut eine fundamentale Diagnose aufweisen können, anhand der eine sinnvolle Therapie bestimmt werden kann.

 

 

Wie schon vorher erwähnt, bin ich der festen Überzeugung, daß sich die TCM und die individualpsychologischen Modelle der westlichen Psychologie wunderbar ergänzen können, von daher hat der Therapeut im besten Fall neben einer fundamentierten Ausbildung in TCM auch grundlegende Kenntnisse in westlich psychologischen Therapierichtungen.

Die TCM bietet verschieden Behandlungsmethoden zur Behandlung von Dysharmonien in den Wandlungsphasen an. Neben der Akupunktur werden Kräuter verschrieben, manuelle Behandlungen (Tuina) vorgenommen, diäthetische Maßnahmen verordnet, und um ein Gleichmaß und Áusgewogenheit des Körper- und Gefühlslebens zu erreichen, soll Qi-Gong praktiziert werden.

Ich werde mich in meinen Therapievorschlägen zu den jeweiligen Dysharmonien in dieser Diplomarbeit auf die Akupunktur und ihre Lösungsmöglichkeiten zu den Störungen beschränken. Dieser Behandlungsprozeß ist, je nach dem, was als Problem zugrunde liegt, vielschichtig, und orientiert sich nach Größen wie Ben und Biao (Ursprung und Symptom), nach den Ba gang (den acht Prinzipien) nach den Modellen des Yin-und Yang-Denkens und der den Behandlungsmöglichkeiten der fünf Wandlungsphasen.

Gleichzeitig impliziert dies für mich, daß neben dem Akupunktieren das in der Behandlung kompetente Gespräch, das aktive Zuhören und die Akzeptanz und Empathie zum Patienten mindestens im gleichen Maße stattfinden muß!

 

 

Therapie (Leber Qi-Stau)

Im Vordergrund steht hier das Fließen wieder in Gang zu bringen, und den Stau zu beseitigen die Leber zu stärken und das Herz zu beruhigen und im Weiteren die Nierenenergie zu stärken.

Punkte: LE 3, LE 2, PE 6, MI 10, Ni 3, Bl. 23.

 

Weiter differenziert sich die Wut-Dysharmonie durch:

Mangel an Leber-Blut und Yin-Leere

Yin-Leere und Blut-leere der Leber zeigen eine fast ähnliche Symptomatik.

Die Yin Leere entsteht oft aus einer Yin-Leere der Niere.

Die Patienten mit einer Yin-Leere sind graduell noch reizbarer und hitziger als die der Blut-Leere-Symptomatik.

Erwähnt wurde bereits, daß der geistig-seelische Aspekt HUN im Leber Blut wohnt. Hat der Mensch einen relativen Mangel an Leber Blut, wird der Mensch ruhelos und die Unzufriedenheit bestimmt sein Sein. Er ist reizbar und jede Störung oder Zu-Nahe-Kommen macht ihn ungehalten und wütend.

Die Aspekte, die Hun im Menschen ermöglicht, werden nachhaltig gestört.

Dieser Mensch wühlt sich in den Schlaf, wenn er überhaupt noch schlafen

kann. Über das nicht Einschlafen-Können gerät der Mensch auch über sich selbst in Wut, was ihn zusätzlich aufheizt, und ihm damit das Einschlafen verhindert.

Diese Menschen leben eine ständige Unzufriedenheit mit sich selbst und mit anderen. Indem sie sich selbst nicht annehmen und leiden können, sind sie Nörgler und Miesmacher, die andere ihre Kritik heftig spüren lassen.

 

 

Therapie:

Vor allem geht es hier darum, den Yin und Blutmangel zu beheben, das Blut und Qi zu bewegen, die Hitze zu eliminieren und das Nieren und Milz-Qi zu stärken.

Punkte: LE 2, LE, 3, Bl. 17, Bl. 23, Mi. 6, 3E 5, MA 36,

 

 

Die Wut der aufsteigenden Leber-Yang

kann aus zwei Motiven entstehen: Die Wut wird immer heftiger und kann nicht mehr unterdrückt werden, was sich in einem heftigen Wutausbruch äußern kann.

Dieses kann sich als einmaliges Erlebnis ereignen.

Der Wutausbruch verschafft Gelegenheit; die Entladung wirkt erleichternd und er kann kurzweilig "Ent"-spannung von seiner inneren Spannung erleben.

Als zweite Ursache ist ein Yin-oder Blut-Mangel der Grund für das aufsteigende Leber-Yang, welches nicht mehr durch das Yin gehalten werden kann.

Oft ist ein Mangel an Nieren-Yin die Ursache, da über den Ernährungszyklus die Yin-Versorgung der Wandlungsphase Holz nicht ausreicht.

Hier steht das dauernde aufbrausende cholerische Wesen im Vordergrund.

Der "Haustyrann", der mit seiner herrschenden und lauten aggressiven Art den andern das Leben schwer macht. Der Unterton ist latent gereizt, und es bedarf nicht viel, die Wut dieses Menschen zu spüren zu bekommen.

Im Vordergrund steht er und nimmt sich nur sich wahr, und ahndet jede Abweichung von seinen Interessen mit mittelstarken bis heftigen Wutausbrüchen.

 

Therapie:

Das Yang, das nach oben schlägt, muß wieder abgesenkt werden, die Ursache, die möglicher Weise aus einem Nieren-Yin-Mange entstanden ist, muß beseitigt werden.

Akupunktur: LE 2, GB 34, Du 20, NI 6, LE 3, MI 10.

 

 

 

Freude (Xi Le)

Das Nei Jing beschreibt zwei unterschiedliche Aspekte der Freude.

Das Radikal Xi zeigt einen Mund unter einer Trommel, die von einer Hand geschlagen wird und stellt Musik eines volkstümlichen Festes dar, bei dem durch das Trommelschlagen auch das Blut und das Qi in Bewegung gebracht wird.

Xi bedeutet Freude und meint gleichzeitig auch den Aspekt der Freude, der das Herz durch Übererregung schädigt.

Le zeigt eine große Trommel mit Schellen auf beiden Seiten, der Art, die in Tempeln benutzt werden. Sie klingen tief und dienen nicht der Anregung, sondern der Kommunikation mit den Geistern. Die Trommeln haben einen tiefen durchdringenden Klang. Le zeigt eine tiefe Freude des Herzens, wenn man den Einklang mit sich selbst und mit dem "göttlichen" gefunden hat.

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Su Wen kap. 39:

"Freude läßt das Qi fließen, so zirkuliert es angemessen und harmonisch im Körper....."

Und:

Im Su Wen, Kap. 39:

"Freude macht den Geist friedvoll und entspannt, sie begünstigt das Nähr- und Abwehr-Qi sie entspannt und beruhigt das Qi."

Freude ist der gefühlsmäßige Aspekt der Wandlungsphase Feuer, das Herz repräsentiert sich als Zang-Organ. Freude ist etwas, das im Herzen erlebt wird und dort seine Resonanz findet.

 

Die Freude ist gekoppelt an das rhythmische Schlagen des Herzens, das damit für einen Gleichklang im Blutfluß durch den ganzen Körper sorgt.

Die Freude meint hier das Harmonische und Rhythmische, das alle Organe durchfließt und versorgt. So steht die Freude dafür, mit sich selbst im Einklang, Harmonie und rhythmischer Versorgung zu stehen

Im Ling-Shu heißt es hierzu in Kap. 8

"... es in der Weisheit des Lebens liegt, Freude(Xi) und Wut (Nu) zu harmonisieren."

Le die Freude ist immer intergrativer Bestandteil des ganzen Menschen und ist ein etwas ruhiges, fast besinnliches Gefühl.

Es ist in seiner Natur eine gemäßigte Emotion und löst Beruhigung und ein Gefühl innerer Harmonie aus. Es ist das Hineinlächeln in sich selbst, das im Qi-Gong und Tai-Ji praktiziert wird.

Diese Form der Freude ist in unseren Breitengraden leider nicht groß verbreitet.

Es ist eher die Freudlosigkeit und das Niedergeschlagensein, was Patienten mit in die Praxis bringen. Das Leben ist schwer und macht keine Freude, man ist abgehetzt und ausgelaugt; weit entfernt von innerer Harmonie und beruhigender Freude. Wir haben hier nichts zu freuen. Die leeren und geschwächten Feuer-Pulse dokumentieren dieses drastisch.

Aus dieser Freudlosigkeit heraus muß dann der Freude "nachgeholfen" werden, in dem man in unserer Unterhaltungsgesellschaft ("Fun"-) Angebote schafft, die das Freuen ermöglichen soll und einem wenigstens ein bißchen das Leben lebenswert macht.

Die Palette der Angebote reicht von der täglichen Fernsehdröhnung mit endlos Quatsch aus allen Kanälen bis zu den "Partydrogen" (Exstacy, Coks etc.),

die die Freude so richtig aufkommen lassen.

Es wird sich so viel "gefreut", daß am Ende nur Leere und Ausgelaugtsein steht,

was dann wieder durch den nächsten "Kick" kompensiert werden muß.

Hier wird eine "Freude" praktiziert, die sich fernab von dem Chinesischen Modell des positiven Gefühl der Freude aufhält.

Die Freude im Übermaß ist genauso krank machend, wie die Wut im Übermaß.

Im Su Wen Kapitel 2 lesen wir

"Das Herz... kontrolliert die Freude, Freude verletzt das Herz, Angst kompensiert Freude"

Hier wird der Zustand übermäßiger Erregung beschrieben, der das Herz verletzen kann. Diese Menschen leben in einem Zustand ständiger (Über-)Stimulation.

 

Diese Form der Freude findet irgendwann seinen pathologischen Ausdruck darin, daß der Mensch durch diese Form der Freude im Herzen erkrankt, was sich in

Verwirrtheit, unkonzentriertem, fahrigen Denken, in Sprachproblemen und allgemeiner Unruhe ausdrücken kann.

An dieser Stelle sei noch die Art der pathologischen Freude zu nennen, die fast einem Schock gleichzusetzen ist, wenn man durch den Erhalt einer guten Nachricht (z.B. Lottogewinn) derart in Erregung gerät, daß man daran z.B. durch Infarkt verstirbt. Hier ist die Freude tödlich.

 

 

Die Pathologie der Emotion Freude

 

Yin-Mangel in der Emotion Freude

Das Yin bietet der Freude die innere Verwurzelung und Anbindung.

Ist diese Aspekt nicht genügend vorhanden, neigt dieser Mensch zu einer gesteigerten und aufreibenden Freude. Man ist erregt, und kann seiner Freude starken Ausdruck verleihen. Das Herz in der Wandlungsphase Feuer ist für das Sprechen verantwortlich. Beim Yin-Mangel spricht dieser Mensch schnell und viel, kann seiner inneren Erregung u.a. nur dadurch Herr werden, wenn er viel bis ununterbrochen redet. Nüchtern betrachtet ist der Inhalt der Freude dieses Menschen allgemein nicht Anlaß für ausgelassene Freude. Dieses wird gelegentlich nur von dem freudigen Redner so erlebt. Hier wirkt der Mensch tendenziell aufgedreht bis "abgedreht" und es kann in der Behandlung eines Patienten lange dauern, bis dieser Mangelzustand behoben ist.

Diese Menschen erscheinen durch ihre fröhliche, bis gelegentlich alberne Art, immer in guter Laune zu sein. Man kichert irgendwie ständig, lacht über alles und nichts, und ist meistens irgendwie ausgelassen.

Ihre Kontakfreudigkeit und Offenheit, mit der sie auf ihre Mitmenschen zugehen, läßt gar nicht vermuten, daß gelegentlich - wenn sie alleine sind - die innere "Freude" eigentlich nicht ausreicht. Aber dieses Form der Extrovertiertheit findet dann schnell wieder die Kompensation durch die Begegnung und durch die exaltierte Zerstreuung. Dieser Typus Mensch lebt von dem anderen, lebt von dem Kick der Begegnung, der Exaltation, des ständig neuen erleben Wollens (Müssens !)

Graduell können diese Menschen leichte, von unruhigen Einschlafschwierigkeiten, bis drastische Schlafstörungen aufweisen. Durch ihre Aufgeregtheit kommt ihr Geist nicht zur Ruhe: Shen repräsentiert durch die Wanderseele Hun läßt das tägliche "Übererlebte" in wilden Träumen kompensieren.

Die Ätiologie ist vielschichtig. Neben vererbten, charakterlichen Festlegungen, können aber auch Faktoren wie Alkohol und andere Drogen (Hier sei das Exstacy bei den Kids besonders gemeint.) diesen Mangel hervorrufen und begünstigen.

 

Therapie:

Das Herz muß beruhigt und der Yin-Aspekt muß genährt werden.

Akupunktur: HE 7, PE 6, Mi 6, Ni 6

 

 

 

Yang-Mangel in der Emotion Freude

Wie der Yin-Mangel die "Überfreude" entstehen läßt, geht es hier in die genau andere Richtung. Die psychische (Un)-Dynamik läßt hier den Menschen eher introvertiert bis depressiv sein. Ihre Freude ist verhalten bis wenig vorhanden. Dieser Typ hat nicht viel zu lachen; wenn er lacht, dann eher gequält und/oder durch Konvention bedingtes Mitlachen. Eine gewisse Tragik ist diesem Menschen gegeben, ("wandelnde Tragödie auf zwei Beinen") denn sie können dem Leben nichts erfreuliches und leichtes abgewinnen. Sie haben eine innere Affinität mit den negativen Dingen des Lebens, mit denen sie sich beschäftigen und die sie, wie ein Magnet irgendwie immer auf sich ziehen. Dieser Typ ist ängstlich skrupulös und traut sich nicht viel zu. Seine Energie ist schwach und läßt nur Kraft für die nötigen Dinge des Lebens. Sie sind oft müde und erschöpft und haben ein großes Schlaf- und Ruhebedürfnis.

 

 

Therapie:

Der Yang-Mangel muß behoben werden. Qi und Blut müssen bewegt werden.

Gut ist hier die Moxa-Therapie anzuwenden.

Akupunktur: MI 9, HE 7, MA 36, PE 6, DU 20, MI 10

 

 

Sorge (Si)

 

Das Radikal Si besteht aus dem Herz-Radikal und dem Zeichen für Feld und Acker.

Es bedeutet soviel wie: Denken, Gedanken.

Der positive emotionale Aspekt der Wandlungsphase Erde, die als Organe den Magen und die Milz zugeordnet hat, ist die Fürsorge. Es ist das, was die Mutter instinktiv bei ihrem Baby empfindet und ausübt. Im späteren Leben ist die Fürsorge und Verantwortung ein wichtiger Bestandteil unseres sozialen Lebens, welches uns befähigt, soziale Kontakte einzugehen und zu halten, und womit wir uns einander Stärke und Sicherheit geben.

Es ist die Fähigkeit zu lieben, sich (manchmal bedingungslos!) dem anderen widmen zu können, und vielleicht gelegentlich auch altruistisch sein zu können.

Die Pervertierung dieser Fähigkeit liegt im Grenzenlosen, sich dem anderen hingeben, in Verwischung von Grenzen zwischen Du und ich, wo man seine Erfüllung beim Aufgehen im anderen sieht und lebt, aber dabei gar nicht den anderen meint, sondern in einer verkappten Form nur sich selbst.

Das "Helfersyndrom", welches in sozialen und Pädagogischen Berufen die manchmal brüchige Berufsgrundlage bildet, ist nur eines der vielschichtigen Facetten, in der sich diese übertriebene (Für-) "Sorge" darstellt.

Im eigentlichen Sinne bedeutet Si nicht eine Emotion, sondern eher den mentalen Aspekt des Denkens.

Die Emotion, die mit Si in Beziehung besteht, entsteht an der Stelle, wo man beginnt, sich zuviel Gedanken zu machen, wo die ständigen Gedanken ins Sorgen und Grübeln führen.

Dieses Aspekt entsteht häufig in einer Welt, die in einem rasanten Wandel und Veränderungen begriffen ist, und wo die Gesellschaftlichen Strukturen nicht genug Halt und Sicherheit dem Einzelnen zu bieten haben.

 

In einer Welt voll Streß, Hektik und Erfolgsdruck kommt man aus dem sich-Sorgen-machen nicht mehr heraus. Viele Menschen müssen sich ständig viele Sorgen machen, und es scheint fast so, daß das Sorgen eine Eigendynamik entwickelt, die nicht mehr den eigentlichen Grund des Sorgen als Gegenstand hat, sondern diffus alles als Sorgenvoll erlebt wird. Der Sorgenvolle muß sich ausschließlich mit den beschäftigen, was ihm Probleme bereitet. Ständig ist er ein Gefangener seiner Gedanken, die ihn malträtieren und foltern, da er keine Möglichkeit hat, dem Treiben in seinem Hirn und Herzen zu entfliehen. Nachts rauben ihn die Gedanken an das Übel den Schlaf, am Tag ist er wie gelähmt nur mit "Mind -fucking" beschäftigt

Su Wen Kap. 39 wird die Auswirkungen von Sorgen/Grübeln mit ihrer Auswirkung auf das Qi beschrieben:

"Grübeln verknotet das Qi. Bei Sorgen und Grübeln sind das Herz und der Geist (Sehn) auf einen Ort fixiert. Das Qi bleibt an einem Punkt und zirkuliert nicht mehr. So verknotet das Qi."

Dieses Verknoten bedeutet, das es zur Stagnation kommt, es nicht mehr fließen kann. Alles ist fixiert durch das ständige Grübeln und Sorgen.

Das Ling-Shu sagt zu diesem Thema:

"Sorgen verletzen den Geist/Shen"

Eigentlich ist es die Milz, die von dem ständigen fixierten Grübeln geschädigt wird, was sich auf der somatischen Ebene als Verdauungsbeschwerden jeglicher Natur zeigen kann.

Wie aber auch schon an andere Stelle erwähnt, sind die verschiedenen Emotionen der Wandlungsphasen nicht nur in dem einen, der Wandlungsphase zugehörigen Organ betroffen, sondern ist oft das Herz, das den Shen beherbergt, bei allen Emotionen mit betroffen, und auch hier kann es zur Pathologie mit Erscheinungen wie: Herzschmerzen, Bedrückendes Gefühle in der Herzgegend.

Meines Erachtens kann man die Auswirkungen der Emotion Sorge auf die verschiedenen Organe nicht so genau voneinander trennen, da in dem Zustand dieser Emotion, je nach dem, wie heftig er erlebt wird, das Gefühl der Sorge, in Angst umschlagen kann, oder das Lungen-Qi wird beeinträchtigt (Enge in der Brust, flache Atmung), oder einem das Herz schwer vor Sorge wird. Die Psychodynamik, die mit der Sorge ausgelöst wird, kann zeitgleich mehrere Organe betreffen, aber ebenso zeitlich fixiert, sich stärker in einem Organ ereignen.

Wie befreiend ist da der Buchtitel von Dale Carnegie: "Sorge Dich nicht, lebe!"(17)

und auch im neuen Testament ( Matthäus 6: 25 )sagt Jesus:

" Darum sage ich Euch: Sorget nicht um Euer Leben, was Ihr Essen werdet, noch um Euren Leib, was Ihr anziehen werdet. Ist das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als das Kleid?

Schaut auf die Vögel des Himmels: sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln nicht in ihre Scheunen, und ihr himmlischer Vater ernährt sie doch......"

Beeinträchtigt Sorge die Milz, so kann es zu Appetitlosigkeit, Unbehagen im Epigastrium, Bauchschmerzen und Müdigkeit kommen.

Sorge ist die pathologische Verkehrung der mentalen Energie der Milz.

Ist die Milz gesund, so können wir und konzentrieren und unsere Aufmerksamkeit auf unser Studium oder unsere Arbeit richten.

Dieselbe Energie führt, wenn sie durch Sorge gestört wird, zu ständigem Denken, Brüten über Problemen und sich Sorgen machen.

 

Die Pathologie der Emotion Sorge/Grübeln

Yin-Mangel

Dieser Personentypus verkörpert den helfenden Menschen, der ständig für alle immer da sein möchte, der sein letztes Hemd für den Bedürftigen zur Verfügung stellt, um damit helfen zu können. Hier ist der Mensch durch innere "Berufung" oder aus vielschichtigen anderen Gründen bemüht, stets ein guter und hilfreicher Mensch zu sein. Hier findet er sich selbst und fühlt sich am wohlsten, wenn er etwas für andere tun kann. Hier wird bemuttert, umsorgt, allen nur das Beste gegeben. Auch die Typen der Personengruppe der sozialen und helfenden Berufen ist teils hier zu finden. Die "hilflosen Helfer", wie sie Schmidtbauer (18) in seinem Buch beschreibt, sind in dieser Rubrik untergebracht. Was sich als Menschenliebe und sogar Altruismus ausgibt, und in einer Welt, die oft mit diesen Tugenden nicht reichlich gesegnet ist, als bewundernswert und heroisch gilt, ist leider oft nicht das, was es scheint. Hinter dem Helfer steckt dann oft nicht der Mensch, der mit sich selbst in Frieden und Integrität lebt, sondern jemand, der durch sein mangelndes Selbstgefühl, durch das Gefühl ansonsten nicht anerkannt zu sein, sich diese Anerkennung auf diesem Wege letztlich erschleicht. Dieser Mensch hat ein Problem damit, alleine zu sein. Dieses treibt ihn hinaus in die "Welt", wo er seinen Platz vermutet und wo er sein fehlendes Selbst kompensieren kann.

Auch wenn die Störung der Wandlungsphase Erde hier sehr plakativ und noch nicht groß differenziert sich gestaltet, so laufen diese Mechanismen in der Regel sehr subtil und kompliziert ab, und letztlich dauert es oft sehr lange, und ist ein langer Bewußtseinsprozess, bis dieser Mensch das Ausmaß seiner Misere erkennt und etwas dagegen unternimmt, denn dieser psychologisch-soziale "Mantel" des "Guten, hilfreichen Menschen" ist sehr effektiv und (und wie schon erwähnt, gesellschaftlich sehr anerkannt!) und bei der Verschleierung des eigentlichen Problems ein großes Hindernis.

Therapie: MA 36; MI 6; BL. 20/21; MI 3; NI 6.

Yang-Leere

Dieser Typ Mensch bleibt im Unterschied zum Yin-Leere-Typus bei sich selbst.

Er ist derart fixiert auf seine Gedanken, auf sein ständiges Grübeln und sich Sorgen machen. Wie eine Kuh müssen sie sich ewig wiederkäuend immer die gleichen Gedanken machen, es kreist alles nur um das eine, und das kann sich täglich ändern. Wichtigstes Thema sind sie selbst und ihre Beziehung zu den Mitmenschen.

Sie sehen sich selbst als Opfer der Gesellschaft, als Opfer von Böswilligkeiten und sind ständig damit beschäftigt, ihr Unglück zu verwalten. Das, was man neudeutsch mit "Mind-fucking" bezeichnet, ist ihre tägliche Auseinandersetzung mit andern und sich selbst.

Wie das Nei Jing (Su Wen) betont, verknotet bei dem Grübeln und Sorgen das Qi.

So wirken auch diese Menschen: verknotet und festgezurrt.

Hat man mit ihnen einen Knoten gelöst, und meint man, hiermit einen Schritt weiter gekommen zu sein, ist der nächste große Knoten schon in Sicht. Auf der physischen Ebene schädigt das Sorgen und Grübeln die Milz, was als Folge zu einer Verschleimung der Milz führt, die jegliche Nahrungsumwandlung in der Milz behindert. Schleim ist hartneckig und zäh, und so muß man sich diesen Typus auch vorstellen. Er ist fixiert auf`s tägliche Grübeln, sitzt fest und muß über all die Ungerechtigkeiten nachsinnen, die ihm widerfahren sind.

Therapie:

Das Milz-Yang und das Nieren-Yang stärken und erwärmen mit Moxatherapie.

Akupunktur: MA 36, MI 6, REN 12, BL 23, NI 3, BL 49, PE 6.

 

 

 

Traurigkeit (Bei)

Das Chinesische Radikal besteht unten aus dem Herz-Radikal und oben aus dem Radikal Fei, was so viel wie "nicht", "anti", also entsprechend Negation bedeutet.

Es bedeutet, daß nichts mehr stattfindet, daß das Leben als Negation empfunden wird.

Durch Tod eines nahen Menschen, durch Trennung des Partners und anderer ähnlicher Erlebnisse betrifft uns die Trauer ganz und überwältigend.

Die Trauer legt sich wie ein Mantel über uns, lähmt, und gibt uns das Gefühl der Ohnmacht. Man kann nichts mehr machen, der Tod oder der Verlust ist unwiederbringlich und endgültig, und wir haben keine Möglichkeit, etwas zu ändern noch etwas zurückzuholen.

 

 

Die Auswirkung von Trauer auf das Qi wir im Kap. 39 im Su Wen erklärt::

" Bei Trauer schwindet das Qi" und ferner: " Aufgrund von Trauer und Kummer dehnt sich die Lunge übermäßig aus und drückt nach oben; das ruft einen Stau im oberen Jiao, in der Höhle hervor. In diesem Fall können Nährqi und Abwehrqi nicht frei fließen und es entsteht Hitze in der Brust"

Die Lunge regiert das Qi und jede tiefere Störung hat manigfaltige Auswirkungen

auf die Qi-Synthese.

Die Trauer verengt die Brust, wie jeder wahrscheinlich schon festgestellt hat, ist man wie eingeschnürt und das Atmen ist flach und fällt schwer.

Lang anhaltende Trauer kann sich auf der körperlichen Ebene durch die Verengung durch Asthma, Bronchitis bemerkbar machen.

Die heftige Emotion der Trauer betrifft fast alle Organe vor allem aber das Herz und die Lunge. So heißt es im Su Wen Kap. 39

"Trauer und Gram beeinträchtigen Lunge und Herz."

und

"Trauer verkrampf und beunruhigt das Herz."

Nach dieser Aussage wird durch die Trauer zuerst das Herz und später auch die Lunge beschädigt.

Das Herz, das der Lunge benachbart ist, drückt gegen den Lungenlappen.

Der oberer Erwärmer wird beeinträchtigt und als Folge können Abwehr- und Nähr-Qi nicht mehr fließen. Dadurch sammelt sich Hitze an und löst in Folge das Qi auf.

Trauer ist das Gegenteil von Freude, die als emotionaler Aspekt im Herzen residiert. Beide Aspekte liegen im oberen Jiao eng beieinander und können sich produktiv ergänzen.

Su Wen Kap. 5

"Freude siegt über die Trauer"

Welch einfaches, aber doch immer wieder wirksames Mittel, um der Traurigkeit etwas entgegenzusetzen.

Durch den Kontrollzyklus der Wandlungsphase Metall und Feuer kann dieser therapeutische Aspekt wirksam werden.

Ling Shu, kap. 8:

"Wenn die Trauer die Leber befällt, so verletzt sie die Wanderseele.

Dieses führt zu geistiger Verwirrung, das Yin wird beschädigt, die Sehen ziehen sich zusammen, es kommt zum Unbehagen unter dem Rippenbogen"

 

 

Pathologie der Emotion Trauer

Yin-Mangel

Der Mensch mit Yin-Mangel ist sensibel und Dünnhäutig. Er läßt alles sehr nahe an sich heran kommen und fühlt sich in gewisser Weise schnell für alles verantwortlich. Durch das starkes Mitempfinden und Trauern kann man hier heftig Trauer empfinden, Anteil nehmen und viel weinen. Sie weinen sich die "Seele aus dem Leib" und verlieren auf diesem Wege Yin, was ihren Mangel noch heftiger voranschreiten läßt.

Die Schutzmechanismen funktionieren nicht ausreichend, und alles kann diesen Menschen wegen seiner Durchlässigkeit durchdringen und damit verletzen.

Dieser Typ hat große Antennen für die Bedürfnisse anderer, die er schnell und gerne bereit ist, zu erfüllen. Dieses, sich dem anderen dienlich machen, läßt ihn seine eigene Bedürfnisse nicht wahrnehmen. Es läßt die volle Bedeutung des Bibelwortes: "Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst" nur in den ersten drei Worten stattfinden, "..wie Dich selbst" ist ihm nicht zugänglich.

Durch seine Offenheit verliert er den eigenen Schutz, was ihn anfällig macht für Verletzungen und Grenzübertretungen. Dieses Menschen neigen durch ihre offene und hilfreiche Art, sich von anderen gebrauchen zu lassen, sie haben wenig Möglichkeiten, sich effektiv dagegen zu wehren.

Die Gradualität ist natürlich auch hier wichtig. Wie bei den anderen kann es von relativ harmlos bis zu ganz schweren Fällen reichen.

Therapie:

Den Yin-Mangel beheben und das Yin der Nieren stärken.

Akupunktur: LU 9, LU 7, MI 6, NI 3, MA 36.

 

 

Yang-Mangel

Im Gegensatz zum Yin-Mangel-Typus kann man hier nicht trauern oder Trauer zeigen. Sie haben keinen Bezug zu ihrer Traurigkeit, und neigen eher dazu, ihre Traurigkeit zu verdrängen. Natürlich erleben auch sie traurige Situationen, sind aber letztlich nicht fähig, der Trauer Ausdruck zu verleihen. Ihre Tränen werden nach innen geweint. Tränen sind expressiv, wollen raus und möchten als Anzeichen des Traurigseins ausgedrückt werden.

 

Dieser Mensch weint nach innen, mit der Folge, daß die unerledigten Tränen sich ansammeln und einen "Pool" bilden, der, über eine innere Selbstregulation, durch eine traurige Situation ganz unverhofft nach außen dringen kann. Diese Gefühlsreaktion kann dann in keinem Verhältnis zu dem eigentlichen Ereignis stehen und überrascht in seiner Vehemenz ihn selbst und auch die Umwelt.

 

Therapie:

Den Yang-Mangel beseitigen

 

Akupunktur: LU 9; LU 7; Bl. 13; Ren Mai 12;

 

 

 

Angst (Kong)

 

Das Chinesische Schriftzeichen für Kong setzt sich zusammen aus einer Art Werkzeug auf der linken Seite, das rechts von einer Hand zum schlagen benutzt wird.

Der Wandlungsphase Wasser, der auf organischer Ebene die Nieren und die Blase entsprechen, wird als Emotion die Angst zugeordnet.

Die Wandlungsphase Wasser steht für Geburt und Tod eines Menschen. Sie reguliert alle Prozesse, die einen neuen Menschen entstehen lassen.

Aus der stofflichen Ebene bildet die Nieren-Essenz die Knochen und jenes "Mark", das die Grundlage für unser Gehirn ist. Zusätzlich ist die Nierenenergie für die Zähne und Haare und ist für die Fähigkeit zu hören zuständig. Dysharmonien in den genannten Bereichen deuten auf eine Störung in der Nierenenergie hin.

Die Nierenenergie steht für die gesamte Existenz eines Menschen. In den Nieren wird die Essenz hergestellt und gespeichert, die alle lebendigen Prozesse im Menschen erst ermöglicht.

 

 

 

Die Angst/Furcht, die als nativer Impuls jedem Lebewesen mitgegeben ist, hat die Aufgabe, das Individuum zu schützen, in dem es in bedrohlichen Situationen als Warnsystem funktioniert. Reflektorisch regelt die Angst Flucht- und Widerstandsmechanismen. Auf diesem Wege ermöglicht die Angst, das Überleben der Spezies.

Angst ist ein sehr existenzielles Gefühl und kann sehr facettenreich erlebt werden: von plötzlicher Angst, die man in einer prekären Verkehrssituation erleben kann (ist mehr Schreck als Angst) über Angst vor Menschen (Begegnungsängste), Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes und der ungewissen Zukunft ( Existensängste) und Phobien jeder Art.

Menschen, die durch Folterungen oder Mißhandlungen von angstvollen Erlebnissen traumatisiert wurden, haben durch dieses schrecklichen Ereignisse ihren Verstand verloren, sind wahnsinnig geworden. Im Ling Shu, Kap. 22 heißt es hierzu:

"Wütende Worte, Neigung zum Lachen, freudiges Singen, unberechenbare Tätigkeiten, die nicht enden wollen - das kann durch große Angst hervorgebracht werden....."

Die Angst kann sich kurzfristig ereignen, und schnell wieder erledigt sein; doch all zu oft wird die Angst ein chronischer Zustand, der sich teils harmlos unterschwellig, aber auch als Angstpsychosen jeglicher Art auf allen Lebensbereichen negativ auswirken kann.

Die Wirkung der Angst auf das Qi wird im Kapitel 5 im Su Wen beschrieben:

"Angst läßt das Qi sinken"

Das Qi der Niere hat normalerweise eine Aufwärtsbewegung.

Su wen, K. 39

"Angst leert die Essenz und blockiert den Oberen Erwärmer. Dadurch steigt das Qi zum unteren Erwärmer hinab"

Die reguläre Qi-Bewegung wird durch die Angst umgekehrt und kann sich in somatische Erscheinungen u.a. in Bettnässen, Harninkontinenz, oder in Durchfall

auswirken.

Die Angst hat wohl das breiteste Wirkspektrum auf andere Organe.

Letztlich können alle (vor allem alle Yin-) Organe betroffen und geschädigt werden.

Da das Herz unser "Zentrum" des Geistes ist, wird dieses Organ durch die Angst zuerst betroffen.

 

 

Im Ling Shu Kap. 8 steht:

" Wenn die Angst das Herz befällt, werden die Geister verletzt. Der Mensch verliert sich selbst, seine Rundungen entschwinden, das Haar wird schütter, und er zeigt alle Zeichen eines vorzeitigen Todes. Er stirbt im Winter."

Das Herz und die Niere sind über die Shao-Yin Beziehung eng miteinander verbunden. Im Herzen wohnt Sehn und die Nieren stellen das Jing.

Wie oben beschrieben, wird der obere Erwärmer durch die Angst blockiert.

Hierbei wird das Herz betroffen und ebenfalls blockiert. Als Folge können Symptome wie innere Unruhe, Herzrasen, Herzneurosen auftreten.

"Angst und Furcht verletzen den Geist Shen." Kap 8 Ling Shu

weiter heißt es dort:

"...Man ist nicht mehr Herr seiner selbst"

Wenn die Angst nicht im produktiven Sinne zur Seite steht, sich eher automatisiert hat, und irrational uns einen Adrenalin-Kick nach dem anderen beschert, dann ist die Angst nicht unser Beschützer und Warner, der uns hilfreich zur Seite steht, sondern die Angst wird unser "Feind" und richtet die Waffen gegen uns selbst.

Die Angst macht bekannter Weise diffus, man ist dann nicht mehr Herr seiner selbst, man ist außer sich vor Angst. Ähnlich dem Schockzustand, der einen Menschen wirre reden und handeln läßt.

Anstatt im Kopf zu sein, und die Situation mit klaren Gedanken in den Griff zu bekommen, geschieht genau das Gegenteil: die Angst treibt die Energie nach unten, was sich körperlich als Durchfall und spontaner Urin-Abgang aüßern kann. "Sich vor Schiss in die Hose machen"

Die Angst ist irrational und archaisch, entfesselt uns mit einer unheimlichen Macht, macht uns bar jeden klaren Gedankens.

Auch der Magen wird von der Energie der Angst betroffen.

Ling-Shu Kap. 10

"Wenn der Magen-Meridian von schädlicher Energie durchdrungen wird, kommt es zu einer Art Besorgheit, Furchtsamkeit und Angst vor allen Dingen, die mit Holz in Beziehung stehen."

Man muß nicht weit theoretisieren, um diese Dynamik zu verstehen, denn diesen Umstand hat wohl jeder schon erlebt. Angst schlägt auf den Magen, macht ihn "nervös" und reizbar. Auch hier wird je nach Umstand die normale Qi-Bewegung,

die nach unten gerichtet ist, gestört.

 

Das Qi fließt nun aufwärts und verursacht Symptomatiken wie: (saures) Aufstoßen, Reflux, bis den Drang sich zu übergeben.

Daraus folgend ist der Magen nicht mehr in der Lage, seine Tätigkeit als Yang-Organ bei der Verdauung auszuüben.

Alles, was die Chinesen unter dem Begriff "Nachhimmels-Qi" begreifen, nämlich die Nahrung (und die Atemluft), die ständig unser Qi wieder auffüllt, wird hier teils nur noch minimal vom Magen aufbereitet werden können. Das bedeutet, daß in der Milz nicht mehr ankommen kann, was dem Organismus zur Verfügung gestellt werden kann. Die Auswirkungen durch den latenten Qi-Mangel sind drastisch, und können sich je nach Schädigung von psychischen Verstimmungen bis zu Geisteskrankheiten reichen.

Su Wen Kap. 23 sagt hierzu:

" ... Wenn der krankheitsauslösende Faktor zum Beispiel auf der Yang-Ebene eindringt, wird man manisch."

Durch die Angst wird der obere Erwärmer nicht oder nur unzureichend ernährt, was zur Auswirkung haben kann, daß man durch diesen Mangelzustand in eine

energetische Unterversorgung gerät, was sich in latenter Aufregung bis manischen Verhalten äußern kann.

Im 10. Kapitel vom Ling Shu heißt es:

"Wenn das Qi unzureichend ist, resultiert daraus Angst. Das Herz fürchtet sich und steht unter Streß wie jemand, der gerade verhaftet wird."

 

 

Die Pathologie der Emotion Angst

Yin-Leere

Die Angst wird beim Yin-Leere-Typus zielgerichteter empfunden. Man kann hier die Dynamik der Emotion Angst zuordnen, die sich in Phobien, Platzangst, Begegnungsängste und anderen, auf ein Objekt bezogene Ängste, beziehen.

Die Yin-Leere läßt das Yang stärker erscheinen, was diesem Menschen aktiver

bis "aktionistischer" wirken läßt. Sie können nervös und aufgeregt vor Angst sein, und ihre Angst mitteilen und ausdrücken.

Im Unterschied zur Yang-Leere bleibt man nicht gebannt, wie das Kaninchen vor der Schlange, stehen, sondern wird vor dem Angst-machenden flüchten.

 

 

Therapie:

Die Nieren-Yin-Leere beseitigen, Hitze ausleiten und das Herz stärken

Akupunktur: REN 4, NI 6, NI 3; NI 9; Mi 6.

 

 

Yang-Leere

Die Angst wird als nebulös, diffus und unberechenbar erlebt. Sie ist ständig zugegen, man kann aber nicht genau sagen, worum es eigentlich geht, und wo der Zusammenhang zwischen Angst und der gerade erlebten Situation besteht.

Die Angst wirkt lähmend auf die Person.

Wie ein Mantel legt sich die Angst um den Menschen und ist als ständiger Begleiter latent zugegen. Diese Form der Angst kann sich als latent unterschwellig bis zu heftigen Angstneurosen auswirken.

Bezeichnend ist die Hilflosigkeit des Menschen in dieser Situation: man ist der Angst ausgeliefert und die Angst beherrscht. Durch den Yang-Mangel haben diese Menschen nicht genug Energie, sich adäquat gegen die Ängste zu wehren, die sich bleiern auf sie gelegt haben. Sie müssen die Qualen dieses Martyrium erdulden und können nichts dagegen tun.

Therapie

Das Yang der Niere stärken. Nachhimmels-Qi stärken. Mit Moxa die Nadelung unterstützen.

Akupunktur: NI 3, BL 32, MA 36, MI 6, LU 9.

 

 

Literatur

01

Ted Kaptchuck "Das große Buch der Chinesischen Medizin", S. 14 O.W. Barth-Verlag, Bern.

02

Leon Hammer, "Psychologie und Chinesische Medizin", S. 471 Joy-Verlag, Sulzberg

03

Friedjoff Capra, "Wendezeit", S. 355, Dtv, München

04

" Psychologie & Chinesische Medizin" S.475

05

"Psychologie & Chinesiche Medizin" S. 86

06

"Psychologie und Chinesische Medizin" S.

07

"Psychologie und Chinesische Medizin" S.132

08

Friedjoff Capra, "Wendezeit" S. 353

09

"Psychologie & Chinesische Medizin" S. 51

10

Giovanni Maciocia, "Die Praxis der Chinesischen Medizin", Seite 199 Verlag für traditionelle Chinesische Medizin, Kötzing

11

Heinz Remplein," Die seelische Entwicklung im Kindes- und Jugendalter", Ernst Reinhard-Verlag, München

12

Klaus Dieter Platsch, "Psychosomatik in der Chinesischen Medizin", S. 26, Urban Verlag

13

Alice Miller, "Am Anfang war Erziehung" , "Das Drama des begabten Kindes.",

Suhrkamp, Frankfurt.

14

Moishe Feldenkreis, Begründer der Feldenkreis Methode

15

Thorwald Dethlefsen, Rüdiger Dahlke, " Krankheit als Weg", Goldmann-Verlag

16

Das Nei Jing in deutscher Übersetzung "Der gelbe Kaiser" O.W. Barth-Verlag

17

Dale Carnegie, "Sorge Dich nicht, lebe!!", Scherz-Verlag, Bern

18.

Schmidtbauer, "Die hilflosen Helfer" Rowold-Verlag, Reinbek

   

 

 

Ausgewählte Literatur zum Themenkomplex

TCM und Psychologie

 

 

Psychosomatik in der Chinesischen Medizin

Wenn der Geist Essens durchdringt.

Klaus Dieter Platsch

Urban-Verlag

Psychologie & Chinesische Medizin

Dr. Med. Leon Hammer

Joy-Verlag, Sulzberg

Les mouvement du coer

Psychologie de Chinois

Claude Larre et Elisabeth de la Valleè

Character and Health

The realtionship of acupuncture and Psychologie

Ives Requena

Paradigm Publications, Brookline, Massachussetts

Spiegelungen zwischen Körper und Seele

Dr. Med Walter Köster

Haug-Verlag

Die Wandlungsphasen der Traditionellen Chinesischen Medizin

Alle 5 Bände

Udo Lorenzen & Andreas Noll

Müller&Steinicke-Verlag, München