Meditation im späteren Daoismus
- Erwin Rousselle -
Wenn man vom ursprünglichen Daoismus zum späteren korrupten Daoismus übergeht, dann ist es so, als ob man von einem klaren Bergstrom zu den trüben Gewässern auf der Ebene hinübergeht. Dieser Unterschied ist besonders offensichtlich in Bezug auf die Meditation.
Im späteren Daoismus haben sicherlich die äußeren Yoga-Praktiken den Hauptplatz eingenommen. Diese umfassen in erster Linie Atemübungen, aber auch viele andere Methoden, die das Ziel haben, den sogenannten "kosmischen Atem" und den "heiligen Embryo" zu entwickeln. Von den Atemübungen wird angenommen, das sie das Säubern und die Reinigung beschleunigen, welches so grundlegend ist, wenn man mehr ätherisch und spirituell werden möchte. Beim Entwickeln des kosmischen Atems arbeitet man mit den geistig-körperlichen Substanzen, die, mehr als alles andere, den unsterbichen Körper aufbauen. Dan wird man zu einem Xian = ein heiliger, unsterblicher Mensch. Das chinesische Zeichen für diese hohe Würde zeigt einen Berg mit dem Radikal Mensch davor. Besonders als Einsiedler, der in den Bergen oder Wäldern lebt, kann dieser Prozess der inneren Reinigung stattfinden!
Aber ebenso Klosterzellen und luftige Hütten an Flußufern und Meeresstränden erfüllen diesen Zweck. Die Hauptsache ist, daß die Luft rein ist und die Umgebung still.
Seit Jahrhunderten haben die chinesische Mönche daran festgehalten, daß es Laozi selbst gewesen ist, der diese Wege der Yoga-Praktiken geöffnet hat, ebenso wie das ganze System der Ideen und Künste, das sich im Laufe der Zeit dann zum späteren Daoismus herauskristallisierte.
Es ist zweifelos richtig, das beide, Laozi und Chuangzi, die daoistische Weisheit des Lebens als äußerst günstig für das körperliche Wohlbefinden im Menschen angesehen haben. Aber immer waren es die spirituellen Werte, die für sie von Wichtigkeit waren auf dem Wege, mit dem Dao eins zu werden.
Diese Einstellung änderte sich im späteren Daoismus, wo körperliche Funktionen und Übungen eine überregende Rolle einnahmen. Zeichnungen erschienen, auf denen Leitbahnen und vitale Zentren des menschlichen Körpers eingezeichnet waren, durch die ein Strom von Luft passieren mußte, damit die himmlische Zirkulation die gewünschten Ergebnisse bringen konnte. Die Zeichnungen variieren etwas voneinander mit den verschiedenen religiösen Gruppen und Sekten, die alle ihren Ursprung dem Daoismus verdanken: die Sekte des goldenen Elexiers Jin Dan Jiao, die Sekte des Vorhimmels Xian Tian Jiao, die Gesellschaft der allgemeinen Gutherzigkeit Tong Shan She, die Dao-Gemeinschaft u.a. .Die Unterschiede sind jedoch nicht so bedeutend, das gemeinsame Gerüst ist schnell gefunden.
Die meisten dieser Zeichnungen sind vermutlich in China einheimisch. Es gibt gibt aber sehr wahrscheinlich einen inderekten Einfluß aus Indien. Es ist gut bekannt, daß Indien von alther die Lehre von den 16 Lebenszentren oder Chakren im menschlichen Körper entwickelte, von denen geglaubt wird, daß sie während der Meditation aktiv werden. Wenn diese Lebenszentren in Bewegung gesetzt worden sind, dann ähneln sie "kreisenden Rädern" i.S.v. das In Gange bringen der Qi-Zirkulation. Es wird geglaubt, daß von den Lebenszentren auf dem Scheitel und an der Stirn bei besonderen Gelegenheiten ein leuchtender Glanz ausgeht. Man sagt, der Glanz ist ähnlich wie der von den 5 Schneegipfeln des Himalayas im Glitzern der Sonne. Im Ganzen gesehen spielen die Lebenszentren der Chinesen nicht die gleiche Rolle wie bei den Indern, ebensowenig wie die Anzahl identisch ist. Die Daoisten sprechen von 12 Hauptzentren und vielen kleineren Zentren.
Mit Hilfe der Meditation kann etwas von dauerhaftem Wert gespeichert werden. Um die Psychologie und Technik der Meditation und Yoga zu verstehen ist dieser Aspekt der Speicherung immer im Auge zu behalten. Man unterscheidet zwei Formen der Arbeit, die erste Wai Gong = äußere Arbeit und die zweite Nei Gong = innere Arbeit. Die äußere Arbeit ist für alle offen, sie dient der Vorbereitung und Initiation für die wichtigere innere Arbeit. Wai Gong besteht im wesentlichen aus folgenen allgemeinen Übungen:
- moralische Führung
- Wertschätzung der heiligen Bücher und Anrufung der göttlichen Würdenträger
- Durchführung guter Taten und Wohltätigkeiten
Viele Menschen kommen nicht über die äußere Arbeit hinaus.Sie erkennen, das es für sie zu schwierig ist, mehr zu werden als ein gewöhnlicher Erdenbürger Fan Fu. Aber auch für diese Menschen bringt Wai Gong einen beträchtlichen Lohn der Freude Fu Bao. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, welche durch einen starken inneren Antrieb oder durch einen besonders mächtigen äußeren Anreiz motiviert werden und die große Entscheidung treffen, mit der inneren Arbeit Nei Gong zu beginnen. Das höchste Ziel dieser inneren Arbeit ist nichts geringeres als den Menschen in die befreite Menge der Unsterblichen einzureihen und damit Tod, Vergänglichkeit und Sinnlichkeit zu überwinden. Der Daoismus hat ein hochentwickeltes Konzept eines Paradieses, dies zu erreichen das höchste Ziel des Adepten ist.